1583 Da lenkten mit der Reise auf den Mainstrom anHinauf durch Ostfranken Die Gunthern unterthan.Hagen war ihr F"uhrer, der war da wohlbekannt.Ihr Marschall war Dankwart, der Heldvon Burgundenland.1584 Da sie von Ostfranken durch Schwalefelde ritten,Da konnte man sie kennen an den herrlichen Sitten,Die F"ursten und die Freunde, die Helden lobesam.An dem zw"olften Morgen der K"onig an die Donau kam.1585 Da ritt von Tronje Hagen den andern all zuvor:Er hielt den Nibelungen zumal den Muth empor.Bald sprang der k"uhne Degen nieder auf den Strand,Wo er sein Ross in Eile fest an einem Baume band.1586 Die Flut war ausgetreten, die Schifflein verborgen:Die Nibelungen kamen da in grosse Sorgen,Wie sie hin"uber sollten: das Wasser war zu breit.Da schwang sich zur Erde mancher Ritter allbereit.1587 "Uebel," sprach da Hagen, "mag dir wohlhier geschehn,K"onig an dem Rheine; du magst es selber sehn:Das Wasser ist ergossen, zu stark ist seine Flut:Ich f"urchte, wir verlieren noch heute manchenRecken gut."1588 "Hagen, was verweist ihr mir?" sprach der K"onig hehr,"Um eurer Hofzucht willen erschreckt uns nichtnoch mehr.Ihr sollt die Furt uns suchen hin"uber an das Land,Dass wir von hinnen bringen beides, Ross’und Gewand."1589 "Mir ist ja noch," sprach Hagen, "mein Leben nichtso leid,Dass ich mich m"ocht ertr"anken in diesen Wellen breit:Erst soll von meinen H"anden ersterben mancher MannIn K"onig Etzels Landen, wozu ich gute Lust gewann.1590 "Bleibet bei dem Wasser, ihr stolzen Ritter gut.So geh ich und suche die Fergen bei der Flut,Die uns hin"uber bringen in Gelfratens Land."Da nahm der k"uhne Hagen seinen festen Schildesrand.1591 Er war wohl bewaffnet: den Schild er bei sich trug;Sein Helm war aufgebunden und gl"anzte hell genug.Ueberm Harnisch f"uhrt’ er eine breite Waffe mit,Die an beiden Sch"arfen aufs allergrimmigste schnitt.1592 Er suchte hin und wieder nach einem Schiffersmann.Da h"ort’ er Wasser rauschen; zu lauschen hub er an.In einem sch"onen Brunnen that das manch weises Weib:Die gedachten da im Bade sich zu k"uhlen den Leib.1593 Hagen ward ihrer inne, da schlich er leis heran;Sie eilten schnell von hinnen, als sie den Helden sahn.Dass sie ihm entrannen, des freuten sie sich sehr.Da nahm er ihre Kleider und schadet’ ihnen nicht mehr.1594 Da sprach das eine Meerweib, Hadburg war sie genannt:"Hagen, edler Ritter, wir machen euch bekannt,Wenn ihr uns dagegen die Kleider wiedergebt,Was ihr auf dieser Reise bei den Heunen erlebt."1595 Sie schwammen wie die V"ogel schwebend auf der Flut.Da daucht ihn ihr Wissen von den Dingen gut:So glaubt’ er um so lieber, was sie ihm wollten sagen.Sie beschieden ihn dar"uber, was er begann sie zu fragen.1596 Sie sprach: "Ihr m"ogt wohl reiten in K"onig Etzels Land:Ich setz euch meine Treue daf"ur zum Unterpfand:Niemals fuhren Helden noch in ein fremdes ReichZu so hohen Ehren: in Wahrheit, ich sag es euch."1597 Der Rede war da Hagen im Herzen froh und hehr!Die Kleider gab man ihnen und s"aumte sich nicht mehr.Als sie umgezogen ihr wunderbar Gewand,Vernahm er erst die Wahrheit von der Fahrt in EtzelsLand.1598 Da sprach das andre Meerweib mit Namen Siegelind:"Ich will dich warnen, Hagen, Aldrianens Kind.Meine Muhme hat dich der Kleider halb belogen:Und kommst du zu den Heunen, so bist du "ubelbetrogen.1599 "Wieder umzukehren, wohl w"ar es an der Zeit,Dieweil ihr k"uhnen Helden also geladen seid,Dass ihr m"usst ersterben in der Heunen Land:Wer da hinreitet, der hat den Tod an der Hand."1600 Da sprach aber Hagen: "Ihr tr"ugt mich ohne Noth:Wie sollte das sich f"ugen, dass wir alle todtBlieben bei dem Hofgelag durch Jemandes Groll?"Da sagten sie dem Degen die M"are deutlich und voll.1601 Da sprach die Eine wieder: "Es muss nun so geschehn,Keiner wird von euch allen die Heimat wiedersehnAls der Kaplan des K"onigs: das ist uns wohlbekannt,Der kommt geborgen wieder heim in K"onig GunthersLand."1602 Ingrimmen Muthes sprach der k"uhne Hagen:"Das liessen meine Herren schwerlich sich sagen,Wir verl"oren bei den Heunen Leben all und Leib;Nun zeig uns "ubers Wasser, allerweisestes Weib."1603 Sie sprach: "Willst du nicht anders und soll die Fahrtgeschehn,So siehst du "uberm Wasser eine Herberge stehn:Darin ist ein Ferge und sonst nicht nah noch fern."Weiter nachzufragen, des begab er nun sich gern.1604 Dem unmuthsvollen Recken rief noch die Eine nach:"Nun wartet, Herr Hagen, euch ist auch gar zu jach;Vernehmt noch erst die Kunde, wie ihr kommt durchsLand.Der Herr dieser Marke der ist Else genannt.1605 "Sein Bruder ist geheissen Gelfrat der Held,Ein Herr im Baierlande: nicht so leicht es h"alt,Wollt ihr durch seine Marke: ihr m"ogt euch wohlbewahrenUnd sollt auch mit dem Fergen gar bescheidentlichverfahren.1606 "Der ist so grimmes Muthes, er l"asst euch nicht gedeihn,Wollt ihr nicht verst"andig bei dem Helden sein.Soll er euch "uberholen, so bietet ihm den Sold;Er h"utet dieses Landes und ist Gelfraten hold.1607 "Und kommt er nicht bei Zeiten, so ruft "uber FlutUnd sagt, ihr heisset Amelrich; das war ein Degen gut,Der seiner Feinde willen r"aumte dieses Land:So wird der F"ahrmann kommen, wird ihm der Namegenannt."1608 Der "uberm"uthge Hagen dankte den Frauen hehrDes Raths und der Lehre; kein W"ortlein sprach er mehr.Dann gieng er bei dem Wasser hinauf an dem Strand,Wo er auf jener Seite eine Herberge fand.1609 Laut begann zu rufen der Degen "uber Flut:"Nun hol mich "uber, Ferge," sprach der Degen gut,"So geb ich dir zum Lohne eine Spange goldesroth;Mir thut das Ueberfahren, das wisse, wahrhaftig Noth."1610 Es brauchte nicht zu dienen der reiche Schiffersmann,Lohn nahm er selten von Jemandem an;Auch waren seine Knechte zumal von stolzem Muth.Noch immer stand Hagen diessseits allein bei der Flut.1611 Da rief er so gewaltig, der ganze Strom erschollVon des Helden St"arke, die war so gross und voll:"Mich Amelrich hol "uber; ich bin es, Elses Mann,Der vor starker Feindschaft aus diesen Landen entrann."1612 Hoch an seinem Schwerte er ihm die Spange bot,Die war sch"on und gl"anzte von lichtem Golde roth,Dass er ihn "uberbr"achte in Gelfratens Land.Der "uberm"uthge Ferge nahm selbst das Ruderan die Hand.1613 Auch hatte dieser Ferge habs"uchtgen Sinn:Die Gier nach grossem Gute bringt endlich Ungewinn;Er dachte zu verdienen Hagens Gold so roth,Da litt er von dem Degen hier den schwertgrimmen Tod.1614 Der Ferge zog gewaltig hin"uber an den Strand.Welcher ihm genannt war, als er den nicht fand,Da hub er an zu z"urnen: als er Hagen sah,Mit grimmem Ungest"ume zu dem Helden sprach er da:1615 "Ihr m"ogt wohl sein geheissen mit Namen Amelrich;Doch seht ihr dem nicht "ahnlich, des ich versehen mich.Von Vater und von Mutter war er der Bruder mein:Nun ihr mich betrogen habt, so m"usst ihr diesshalbensein."1616 "Nein! um Gotteswillen," sprach Hagen dagegen."Ich bin ein fremder Recke, besorgt um andre Degen.So nehmet denn freundlich hin meinen SoldUnd fahrt uns hin"uber: ich bin euch wahrhaftig hold."1617 Da sprach der Ferge wieder: "Das kann einmal nichtsein.Viel der Feinde haben die lieben Herren mein.Drum fahr ich keinen Fremden hin"uber in ihr Land:Wenn euch das Leben lieb ist, so tretet aus anden Strand."1618 "Das thu ich nicht," sprach Hagen, "traurig ist meinMuth.Nehmt zum Ged"achtniss die goldne Spange gutUnd fahrt uns "uber, tausend Ross’ und auch so manchenMann."Da sprach der grimme Ferge: "Das wird nimmergethan."1619 Er hob ein starkes Ruder, m"achtig und breit,Und schlug es auf Hagen (es ward ihm sp"ater leid),Dass er im Schiffe nieder strauchelt’ auf die Knie.Solchen grimmen Fergen fand der von Tronje noch nie.1620 Noch st"arker zu erz"urnen den k"uhnen Fremdling,schwangEr seine Ruderstange, dass sie gar zersprang,Auf das Haupt dem Hagen; er war ein starker Mann:Davon Elses Ferge bald grossen Schaden gewann.1621 Mit grimmigem Muthe griff Hagen gleich zur HandZur Seite nach der Scheide, wo er ein Waffen fand:Er schlug das Haupt ihm nieder und warf es aufden Grund.Bald wurden diese M"aren den stolzen Burgunden kund.1622 Im selben Augenblicke, als er den F"ahrmann schlug,Glitt das Schiff zur Str"omung; das war ihm leid genug.Eh er es richten konnte, fiel ihn Erm"udung an:Da zog am Ruder kr"aftig K"onig Gunthers Unterthan.1623 Er versucht’ es umzukehren mit manchem schnellenSchlag,Bis ihm das starke Ruder in der Hand zerbrach.Er wollte zu den Recken sich wenden an den Strand;Da hatt er keines weiter: wie bald er es zusammen band1624 Mit seinem Schildriemen, einer Borte schmal.Hin zu einem Walde wandt er das Schiff zu Thal.Da fand er seinen Herren sein harren an dem Strand;Es giengen ihm entgegen viel der Degen auserkannt.1625 Mit Gruss ihn wohl empfiengen die edeln Ritter gut:Sie sahen in dem Schiffe rauchen noch das BlutVon einer starken Wunde, die er dem Fergen schlug:Dar"uber muste Hagen fragen h"oren genug.1626 Als der K"onig Gunther das heisse Blut ersahIn dem Schiffe schweben, wie bald sprach er da:"Wo ist denn, Herr Hagen, der F"ahrmannhingekommen?Eure starken Kr"afte haben ihm wohl das Lebenbenommen."1627 Da sprach er mit Verl"augnen: "Als ich das Schifflein fandBei einer wilden Weide, da l"ost’ es meine Hand.Ich habe keinen Fergen heute hier gesehn;Leid ist auch Niemand von meinen H"anden geschehn."1628 Da sprach von Burgunden der K"onig Gernot:"Heute muss ich bangen um lieber Freunde Tod,Da wir keinen Schiffmann hier am Strome sehn:Wie wir hin"uber kommen, darob muss ich in Sorgenstehn."1629 Laut rief da Hagen: "Legt auf den Boden her,Ihr Knechte, das Ger"athe: ich gedenke, dass ich mehrDer allerbeste Ferge war, den man am Rheine fand:Ich bring euch hin"uber gar wohl in Gelfratens Land."1630 Dass sie desto schneller k"amen "uber Flut,Trieb man hinein die M"ahren; ihr Schwimmen wardso gut,Dass ihnen auch nicht eines der starke Strom benahm.Einige trieben ferner, als sie Erm"udung "uberkam.1631 Sie trugen zu dem Schiffe ihr Gut und ihre Wehr,Nun einmal ihre Reise nicht zu vermeiden mehr.Hagen fuhr sie "uber; da bracht er an den StrandManchen zieren Recken in das unbekannte Land.1632 Zum ersten fuhr er "uber tausend Ritter hehrUnd seine sechzig Degen; dann kamen ihrer mehr:Neuntausend Knechte, die bracht er an das Land.Des Tags war unm"ussig des k"uhnen Tronejers Hand.1633 Das Schiff war ungef"uge, stark und weit genug:F"unfhundert oder dr"uber es leicht auf einmal trugIhres Volks mit Speise und Waffen "uber Flut:Am Ruder muste ziehen des Tages mancher Ritter gut.1634 Da er sie wohlgeborgen "uber Flut gebracht,Da war der fremden M"are der schnelle Held bedacht,Die ihm verk"undet hatte das wilde Meerweib:Dem Kaplan des K"onigs gieng es da schier an Lebenund Leib.1635 Bei seinem Weihger"athe er den Pfaffen fand,Auf dem Heiligthume sich st"utzend mit der Hand:Das kam ihm nicht zu Gute, als Hagen ihn ersah;Der ungl"uckselge Priester, viel Beschwerde litt er da.1636 Er schwang ihn aus dem Schiffe mit j"aher Gewalt.Da riefen ihrer Viele: "Halt, Hagen, halt!"Geiselher der junge hub zu z"urnen an;Er wollt es doch nicht lassen, bis er ihm Leides gethan.1637 Da sprach von Burgunden der K"onig Gernot:"Was hilft euch wohl, Herr Hagen, des Kaplanes Tod?Th"at diess anders Jemand, es sollt ihm werden leid.Was verschuldete der Priester, dass ihr so wider ihn seid?"1638 Der Pfaffe schwamm nach Kr"aften: er hoffte zu entgehn,Wenn ihm nur Jemand h"ulfe: das konnte nicht geschehn,Denn der starke Hagen, gar zornig war sein Muth,Stiess ihn zu Grunde wieder; das dauchte Niemandengut.1639 Als der arme Pfaffe hier keine H"ulfe sah,Da wandt er sich ans Ufer; Beschwerde litt er da.Ob er nicht schwimmen konnte, doch half ihm GottesHand,Dass er wohlgeborgen hinwieder kam an den Strand.1640 Da stand der arme Priester und sch"uttelte sein Kleid.Daran erkannte Hagen, ihm habe Wahrheit,Unmeidliche, verk"undet das wilde Meerweib.Er dachte: "Diese Degen verlieren Leben und Leib."1641 Als sie das Schiff entladen und ans Gestad geschafft,Was darauf besessen der K"onge Ritterschaft,Schlug Hagen es in St"ucke und warf es in die Flut;Das wunderte gewaltig die Recken edel und gut.1642 "Bruder, warum thut ihr das?" sprach da Dankwart,"Wie sollen wir hin"uber bei unsrer Wiederfahrt,Wenn wir von den Heunen reiten an den Rhein?"Hernach sagt’ ihm Hagen, das k"onne nimmermehr sein.1643 Da sprach der Held von Tronje: "Ich thatsmit Wohlbedacht:Haben wir einen Feigen in dieses Land gebracht,Der uns entrinnen m"ochte in seines Herzens Noth,Der muss an diesen Wogen leiden schm"ahlichen Tod."1644 Sie f"uhrten bei sich Einen aus Burgundenland,Der ein gar behender Held und Volker ward genannt.Der redete da launig nach seinem k"uhnen Muth:Was Hagen je begangen, den Fiedler dauchte das gut.1645 Als der Kaplan des K"onigs das Schiff zerschlagen sah,Ueber das Wasser zu Hagen sprach er da:"Ihr M"order ohne Treue, was hatt ich euch gethan,Dass mich unschuldgen Pfaffen eur Herz zu ertrankensann?"1646 Zur Antwort gab ihm Hagen: "Die Rede lasst beiseit:Mich k"ummert, meiner Treue, dass ihr entkommen seidHier von meinen H"anden, das glaubt ohne Spott."Da sprach der arme Priester: "Daf"ur lob ich ewig Gott.1647 "Ich f"urcht euch nun wenig, des d"urft ihr sicher sein:Fahrt ihr zu den Heunen, so will ich "uber Rhein.Gott lass euch nimmer wieder nach dem Rheinekommen,Das w"unsch ich euch von Herzen: schier das Leben habtihr mir genommen."1648 Da sprach K"onig Gunther zu seinem Kapellan:"Ich will euch alles b"ussen, was Hagen euch gethanHat in seinem Zorne, komm ich an den RheinMit meinem Leben wieder: des sollt ihr ausser Sorge sein.1649 Fahrt wieder heim zu Lande; es muss nun also sein.Ich entbiete meine Gr"usse der lieben Frauen meinUnd meinen andern Freunden, wie ich billig soll:Sagt ihnen liebe M"are, dass wir noch alle fuhren wohl."1650 Die Rosse standen harrend, die S"aumer wohl geladen;Sie hatten auf der Reise bisher noch keinen SchadenGenommen, der sie schmerzte, als des K"onigs Kaplan:Der must auf seinen F"ussen sich zum Rheine suchenBahn.