Читаем Русская германистика. Ежегодник Российского союза германистов. Т. 15. Революция и эволюция в немецкоязычных литературах полностью

Die Begriffe ‚Evolution‘ und ‚Revolution‘ scheinen unaufl"osbar verbunden, gleichsam oppositionelle Br"uder zu sein. Zudem mutet der gemeinte Gegensatz von ‚langsamer, nat"urlicher‘ und ‚gewaltsamer, abrupter Ver"anderung‘ so universell an, dass er "uberall anwendbar erscheint und zum typographischen Spiel „(R)Evolution“ geradezu einl"adt. Davon zeugt die im Internet umworbene Warenwelt vielfach: Cocktailgl"aser, Turnschuhe, ein australisches Mountainbike-Magazin, ein Waschmaschinentyp und eine ewige Jugend verheissende Gesichtscreme – all das wird mit dem Schlagwort „(R)Evolution“ umworben.1

Den Russischen Germanistentag 2017 ebenfalls unter das Thema „(R)Evolution“ zu stellen zeugt jedoch nicht davon, dass die russische Germanistik im Revolutionsjahr typographischen Spielen verfallen w"are, sondern lenkt unsere Aufmerksamkeit darauf, dass beide Begriffe auch zentrale Ordnungskategorien der Literaturgeschichtsschreibung und der Literaturtheorie sind.

Dazu einige einleitende "Uberlegungen.

2. Begriffsgeschichte

So verf"uhrerisch das Wortspiel die beiden Begriffe in Verbindung setzt, so unterschiedlich nehmen sie sich doch aus, wenn man ihre Begriffsgeschichte betrachtet.

Auch wenn uns der Begriff ‚Revolution‘ [vgl. DFWB1 1977, III/412– 4182] heute g"angig "uber die Lippen kommt – zumal im Jahr der Erin-nerung an 1917 —, l"asst er sich doch kaum aus philosophisch-ideengeschichtlichen Traditionen herleiten. Nat"urlich ist das Wort ‚revolutio‘ alt, doch trug es bis zum Ende des 18. Jahrhunderts ganz andere Bedeutungen. Karl Ernst Georges Ausf"uhrliches lateinisch-deutsches Handw"orterbuch kennt ‚revolutio‘ "uberhaupt nicht im Bereich des klassischen Latein. Eine Umw"alzung im Staat wurde anders bezeichnet, etwa als ‚rerum publicarum conversio‘ oder als ‚Aufstand, Rebellion‘ mit dem Wort ‚seditio‘ [Georges 1910: 1962–63]. Vom 15. bis zum 18. Jahrhundert existierte in der deutschen Sprache das Fremdwort ‚Revolution‘, das aber in unterschiedlichen Wissenschaften und Bereichen die Ver"anderung einer geometrischen Ordnung meinte. Truppenteile konnten eine ‚Revolution‘ vollziehen, Tanzformationen ebenso. Vor allem aber meinte ‚Revolution‘ die ‚Umdrehung‘, den ‚Umlauf‘ in der Astronomie, also die Bahn eines Himmelsk"orpers um ein Hauptgestirn. Theologisch meinten ‚revolvere‘ und ‚Revolution‘ das Wegrollen des Steins vom Grab Christi.

Seit dem Ende des 17. Jahrhunderts finden sich Begriffsverwendungen, die die englische und spanische Variet"at von ‚Revolution‘ mit geschichtlichen Ereignissen in Verbindung bringen. Ein fr"uher Beleg f"ur ‚glorious revolution‘ stammt von 1696 [vgl. Beverley 1696]. Doch erhielt die englische Revolution von 1688 gerade deshalb das Epitheton ‚glorious‘, weil sie eben nicht ‚revolution"ar‘ im heutigen Sinne, also nicht schlagartig, gewaltsam oder gar blutig verlief. Revolution"ar wurde der Begriffsinhalt von ‚Revolution‘ erst am Ende des 18. Jahrhunderts im Kontext der Franz"osischen Revolution und meinte nunmehr ‚gewaltsamer, totaler Umsturz‘, ‚Staatsumw"alzung‘, ‚pl"otzlicher Bruch mit Tradition und Geschichte‘. Friedrich Schlegel gilt 1798 die Franz"osische Revolution in den Athenaeums-Fragmenten als „Urbild der Revoluzionen“. Die moderne Wortbedeutung war im Deutschen von Anfang an h"aufig pejorativ besetzt und wurde von ‚Evolution‘ in positiver Bedeutung abgesetzt. Herder formulierte 1793 in den Briefen zur Bef"orderung der Humanit"at: „Mein Wahlspruch bleibt also fortgehende, nat"urliche, vern"unftige Evolution der Dinge, keine Revolution.“ "Ahnlich Immanuel Kant 1798 in Der Streit der Fakult"aten: „dass der Staat sich von Zeit zu Zeit auch selbst refomiere und anstatt Revolution Evolution versuchend, zum besseren gest"andig fortschreite“.

Mit dem Begriff ‚Revolution‘ im modernen Sinne verbindet sich also kein aus ideengeschichtlicher Tradition abgeleitetes Deutungskonzept. Der Begriff reagiert auf die aktuelle Zeitgeschichte, ist als solcher deskriptiv, nicht interpretierend, auch wenn sich unterschiedliche Wertungstendenzen damit verbinden k"onnen.

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В эту книгу вошли статьи и рецензии, написанные на протяжении тридцати лет (1988-2019) и тесно связанные друг с другом тремя сквозными темами. Первая тема – широкое восприятие идей Михаила Бахтина в области этики, теории диалога, истории и теории культуры; вторая – применение бахтинских принципов «перестановки» в последующей музыкализации русской классической литературы; и третья – творческое (или вольное) прочтение произведений одного мэтра литературы другим, значительно более позднее по времени: Толстой читает Шекспира, Набоков – Пушкина, Кржижановский – Шекспира и Бернарда Шоу. Великие писатели, как и великие композиторы, впитывают и преображают величие прошлого в нечто новое. Именно этому виду деятельности и посвящена книга К. Эмерсон.В формате PDF A4 сохранен издательский макет книги.

Кэрил Эмерсон

Литературоведение / Учебная и научная литература / Образование и наука