Sie haben mich sofort angezogen. »Das ist gut für die Moral«, hat die Neurologin sentenziös gesagt. Nach dem gelben Nylonnachthemd hätte es mir tatsächlich Freude gemacht, wieder ein kariertes Hemd, eine alte Hose und einen formlosen Pullover anzuhaben, wenn es nicht so ein Alptraum gewesen wäre, sie anzuziehen. Oder vielmehr sie nach allerhand Verrenkungen über diesen schlaffen, aus den Fugen geratenen Körper gestreift zu bekommen, der mir nur noch gehörte, um mich zu quälen.
Als ich fertig angezogen war, konnte das Ritual beginnen.
Zwei Muskelmänner haben mich ohne viel Schonung bei den Schultern und den Füßen gepackt, aus dem Bett gehoben und in den Rollstuhl gesetzt. Vom bloß Kranken war ich zum Behinderten geworden, so wie im Stierkampf der Novillero zum Torero wird, wenn er zum ersten Mal den Kampf mit einem großen, ausgewachsenen Stier wagt. Man hat mir nicht applaudiert, aber fast. Meine Betreuer haben mit mir eine Runde durch das Stockwerk gedreht, um zu überprüfen, ob die sitzende Haltung keine unkontrollierbaren Krämpfe auslösen würde, aber ich bin ruhig geblieben, ganz damit beschäftigt, die brutale Abwertung meiner Zukunftsperspektiven zu ermessen.
Man mußte nur meinen Kopf mit einem Spezialkissen verkeilen, denn er pendelte hin und her wie bei den afrikanischen Frauen, denen man die Pyramide aus Reifen abgenommen hat, die seit Jahren ihren Hals in die Länge zog.
»Sie sind reif für den Stuhl«, kommentierte der Ergotherapeut mit einem Lächeln, das seine Worte zu einer guten Nachricht machen sollte, während sie in meinen Ohren wie ein Urteil klangen. Auf einmal sah ich die bestürzende Realität. So blendend wie ein Atomblitz. Schärfer als das Fallbeil einer Guillotine. Sie sind alle wieder gegangen. Drei Pfleger haben mich wieder ins Bett gelegt, ich mußte an diese Gangster im
Das Gebet
Letzten Endes war der Rollstuhlschock heilsam. Die Dinge wurden klarer. Ich entwarf keine tollkühnen Pläne mehr und konnte die Freunde aus ihrem Schweigen entlassen, die seit meinem Hirnschlag einen liebevollen Schutzwall um mich errichtet hatten. Da das Thema nicht mehr tabu war, haben wir über das Locked-in-Syndrom zu sprechen begonnen. Zum einen ist es eine Seltenheit. Das ist kein Trost, aber die Chancen, in diese teuflische Falle zu geraten, sind so groß, wie den Super Jackpot im Lotto zu gewinnen. In Berck sind wir nur zwei, die die Symptome haben, und dabei ist mein
Mögliche Besserungen kann man tatsächlich bei den Atemwegen erwarten. Langfristig kann man sich eine normalere Ernährung ohne Magensonde erhoffen, eine natürliche Atmung und vielleicht sogar, daß die Atemluft auch die Stimmbänder wieder in Schwingungen versetzt.