Vorerst wäre ich der glücklichste Mensch, wenn es mir gelänge, den übermäßigen Speichel herunterzuschlucken, der ständig in meinem Mund zusammenläuft. Der Tag ist noch nicht angebrochen, und schon übe ich mich darin, die Zunge hinten über den Gaumen gleiten zu lassen, um den Schluckreflex auszulösen. Außerdem habe ich meinem Kehlkopf die Säckchen mit Weihrauch geweiht, von reisenden gläubigen Freundinnen aus Japan mitgebrachte Exvotos, die an der Wand in meinem Zimmer hängen. Sie sind ein Stein im Monument der Danksagungen, das nahestehende Menschen im Laufe ihrer Reisen für mich erbaut haben. Unter allen Himmelsstrichen hat man für mich die verschiedensten Geister angerufen. Ich versuche etwas Ordnung in diese weitläufige Bewegung der Seelen zu bringen. Wenn ich erfahre, daß man für mich in einer bretonischen Kapelle einige Kerzen angezündet oder in einem nepalesischen Tempel ein Mantra psalmodiert hat, weise ich diesen spirituellen Veranstaltungen gleich einen bestimmten Zweck zu. So habe ich mein rechtes Auge einem Marabut in Kamerun anvertraut, der von einer Freundin beauftragt ist, die Götter Afrikas für mich gnädig und milde zu stimmen. Und wegen der Hörstörungen verlasse ich mich auf die guten Beziehungen, die eine Schwiegermutter mit frommem Herzen zu den Mönchen einer Bruderschaft in Bordeaux hat. Sie weihen mir regelmäßig ihre Rosenkranzgebete, und manchmal schleiche ich mich in ihre Abtei, um die Gesänge gen Himmel steigen zu hören. Es hat noch zu keinem außergewöhnlichen Ergebnis geführt, aber als sieben Brüder desselben Ordens von fanatischen Islamisten ermordet wurden, hatte ich mehrere Tage Ohrenschmerzen.
Gleichwohl ist diese Protektion an höchsten Stellen nur ein Wall aus Ton, eine Mauer aus Sand, eine Maginotlinie neben den kleinen Gebeten, die meine Tochter Céleste jeden Abend an ihren lieben Gott richtet, ehe sie die Augen schließt. Da wir etwa zur gleichen Zeit einschlafen, schiffe ich mich mit dieser wunderbaren Wegzehrung, die alle bösen Begegnungen von mir fernhält, ins Königreich der Träume ein.
Das Bad
Um acht Uhr dreißig kommt die Heilgymnastin. Sportliche Figur und ein Profil wie auf einer römischen Münze.
Brigitte bewegt meine von Gelenksteife befallenen Arme und Beine. Das heißt »Mobilisierung«, und diese kriegerische Terminologie ist lachhaft, wenn man die Magerkeit der Truppe sieht: in zwanzig Wochen habe ich dreißig Kilo abgenommen.
Mit einem solchen Ergebnis hatte ich nicht gerechnet, als ich acht Tage vor meinem Hirnschlag eine Diät begann. Vorher überprüft Brigitte, ob irgendein Zucken eine Besserung anzeigt. »Versuchen Sie, meine Faust zu drücken«, verlangt sie. Da ich manchmal die Illusion habe, die Finger zu bewegen, konzentriere ich meine Energie darauf, ihre Fingerglieder zu zermalmen, aber nichts regt sich, und sie legt meine leblose Hand auf das Stück Schaumgummi zurück, das ihr als Schmuckkästchen dient. Veränderungen gibt es nur an meinem Kopf. Ich kann ihn jetzt um 90° hin und her bewegen, und mein Gesichtsfeld reicht vom Schieferdach des Gebäudes nebenan zu der seltsamen Mickymaus mit der heraushängenden Zunge, die mein Sohn Théophile gemalt hat, als ich den Mund nicht öffnen konnte. Durch Übungen sind wir inzwischen so weit, daß wir einen Lutscher hineinschieben könnten. Wie die Neurologin sagt: »Sie brauchen viel Geduld.« Die Heilgymnastik endet mit einer Gesichtsmassage. Mit ihren warmen Fingern fährt Brigitte über mein ganzes Gesicht, über die taube Zone, die mir die Konsistenz von Pergament zu haben scheint, und die innervierte Partie, in der ich noch eine Augenbraue runzeln kann. Die Demarkationslinie geht durch den Mund, mit dem ich nur halb lächeln kann, was meinen 13 Stimmungsschwankungen so ziemlich entspricht. Zum Beispiel kann ein alltägliches Ereignis wie das Gewaschenwerden ganz verschiedene Gefühle in mir erregen.