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Keine Fingerabdrücke. Marys Eimer hatte er samt Deckel wieder mitgenommen. Er hatte seine Spuren verwischt und mögliche Verfolger wie ein Flüchtling abgeschüttelt, der die Bluthunde verwirrt, indem er ein Stück im Bach entlangwa-tet. Aber keiner dieser Gedanken spendete ihm Trost oder brachte ihm Schlaf. Sie würden ihn schnappen. Vielleicht hatte jemand seinen Wagen am Heron Place beobachtet und sich gefragt, warum er sich zu so später Stunde im Schneesturm auf der Straße befand. Vielleicht hatte sich sogar jemand seine Autonummer aufgeschrieben und wurde genau in diesem Augenblick von der Polizei beglückwünscht. Vielleicht hatte sein Wagen Lackspuren an der Straßenbarriere hinterlassen, und jetzt saßen sie schon vor dem Computer und versuchten, den Namen des Schuldigen herauszufinden. Vielleicht …

Er wälzte sich im Bett hin und her und wartete auf die blauen, tanzenden Sirenenlichter, auf das heftige Klopfen an der Tür, auf die geisterhafte, kafkaeske Stimme, die ›Machen Sie auf!‹ brüllen würde. Endlich schlief er ein, ohne es zu merken, denn seine Gedanken gingen weiter. Sie flössen so glatt vom Bewußtsein in die verschlüsselte Traumwelt des Unterbewußtseins über wie bei einem Auto, das man von einem höheren in einen tieferen Gang schaltet. Selbst im Traum hielt er sich immer noch für wach; er beging wieder und wieder Selbstmord: Er verbrannte sich; er prügelte sich zu Tode, indem er unter einem Amboß stand und immer wieder an der Schnur zog; er erhängte sich; er blies die Sicherheitsflamme seine Gasherds aus und drehte alle vier Flammen und das Backrohr weit auf; er erschoß sich; er sprang aus dem Fenster; er warf sich vor einen beschleunigenden Greyhound-Bus; er schluckte Tabletten; er trank ein scharfes Desinfektionsmittel zur Toilettenreinigung; er steckte sich eine Spraydose in den Mund, drückte auf den Knopf und atmete das Zeug so lange ein, bis sein Kopf sich so leicht fühlte wie ein Luftballon; er beging, in einer Kathedrale kniend und einem verdutzten Priester seinen Selbstmord beichtend, Harakiri, während seine Eingeweide sich wie Hackfleisch im Beichtstuhl ausbreiteten und er mit ersterbender Stimme in seinem Blut und den dampfenden Gedärmen liegend einen Akt der Reue vollzog. Aber am lebendigsten wiederholte sich immer wieder die Vorstellung, wie er in der geschlossenen Garage runter dem Steuer seines LTD saß, den Motor laufen ließ, tief und regelmäßig einatmete, ein Exemplar des National Geographie in den Händen hielt, die lebensechten Bilder von Tahiti, Aukland und vom Karneval in New Orleans betrachtete und die Seiten immer langsamer umblätterte, bis das Geräusch des Motors immer leiser wurde, ein süßes, gleichmäßiges Rauschen der grünen Brandung im Südpazifik, das ihn allmählich einlullte, wie ein Baby wiegte und ihn endlich mit seinen silbernen Schaumarmen umfing.

19. Dezember 1973

Es war schon mittags um halb eins, als er aufwachte und aus dem Bett stieg. Er fühlte sich wie gerädert, hatte grauenhafte Kopfschmerzen, und seine Blase war so voll, daß sie schmerzte. Ein schaler, bitterer Geschmack füllte seinen Mund, und als er ein paar Schritte ging, schlug sein Herz wie eine Buschtrommel. Er konnte sich nicht den Luxus gönnen, auch nur eine Sekunde lang zu glauben, daß all die Erinnerungen an die letzte Nacht nur ein Traum gewesen seien. Der Benzingestank war tief in seine Haut eingedrungen und stieg in üblen Duftwolken aus seinem Kleiderhaufen hervor. Es hatte aufgehört zu schneien, der Himmel war klar, und seine Augen bettelten in dem grellen Sonnenlicht um Gnade.

Er ging ins Bad und setzte sich auf die Kloschüssel. Ein überwältigender Durchfall rauschte durch seine Därme wie ein Schnellzug durch einen verlassenen Bahnhof. Sein Abfall fiel in einer Serie von Blähungen und Krämpfen ins Wasser, und er stöhnte und hielt seinen Kopf in den Händen. Er pinkelte, ohne aufzustehen, während der widerliche, dicke Gestank seines Verdauungsendproduktes das Badezimmer füllte.

Er betätigte die Spülung, holte sich saubere Kleidung und wankte auf zittrigen Beinen nach unten. Er wollte warten, bis der entsetzliche Gestank sich verzogen hatte, um dann zu duschen. Wenn nötig den ganzen Nachmittag lang.

Er schluckte drei Excedrinpillen aus dem grünen Fläschchen auf dem Küchenregal, die er mit zwei großen Schlucken Pepto-Bismol herunterspülte. Dann setzte er Wasser für Kaffee auf und zerbrach seine Lieblingstasse, als er sie vom Haken nehmen wollte. Er fegte die Scherben zusammen und nahm sich eine andere. Er schüttete etwas Pulverkaffee in die Tasse und ging dann ins Eßzimmer.

Dort drehte er das Radio an und suchte nach einem Sender, der Nachrichten brachte. Sie kamen, wie die Polizei, nie, wenn man sie brauchte. Popmusik. Landwirtschaftsberichte.

Eine Quizsendung. Eine Talkshow, bei der man anrufen konnte. Der Börsenbericht. Paul Harvey, der für eine Lebensversicherung warb. Noch mehr Popmusik. Keine Nachrichten.

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