»Kann schon sein«, sagte er. »Aber ist das so wichtig? Die Dinge sind so oder so schon entschieden und werden genauso laufen, wie sie wollen. Nur eins ärgert mich manchmal. Von Zeit zu Zeit habe ich das Gefühl, ich wäre die Hauptperson in einem Roman von einem schlechten Schriftsteller. Der hat schon längst beschlossen, wie mein Leben ausgehen wird und warum. Es ist einfacher, sich die Dinge so zu erklären, als Gott dafür die Schuld zu geben - wann hätte der auch je etwas für mich getan? Weder Gutes noch Schlechtes. Nein, nein, es ist dieser schlechte Schriftsteller, der hat an allem schuld. Er hat meinen Sohn getötet, indem er ihm einen Gehirntumor angedichtet hat. Das war das erste Kapitel.
Und kurz vor dem Epilog kommt das Kapitel: Selbstmord oder kein Selbstmord. Es ist eine miese Geschichte.«
»Hör mal«, sagte sie unangenehm berührt, »wenn es in eurer Stadt eine Telefonseelsorge gibt, dann solltest du vielleicht mal dort anrufen …«
»Ich glaube kaum, daß die mir helfen können«, erwiderte er. »Aber das ist auch nicht so schlimm. Ich möchte
»Nein, ich halt’ es hier nicht aus. An einem anderen Ort …«
»Es wird an jedem Ort dasselbe sein, wenn du deine Einstellung nicht änderst. Es gibt keine magischen Orte, an denen du dir den Kopf zurechtsetzen lassen kannst. Wenn du dich beschissen fühlst, ist alles, was du siehst, ebenfalls Scheiße. Ich
»Hör mal …«
»Nein, jetzt hörst du mir zu. Wisch dir die Ohren sauber.
Altwerden ist wie durch Schnee zu fahren, der immer tiefer und tiefer wird. Wenn er erst mal über die Radkappen reicht, drehen die Räder durch. Du kannst machen, was du willst, du kommst nicht von der Stelle. So ist das Leben. Es gibt keine Schneepflüge, die dich wieder ausgraben. Dein Schiff wird niemals in einen Hafen einlaufen, Mädchen. Es gibt keine Lotsen, für niemanden. Und es gibt auch keine Kamera, die deinen Kampf für die Nachwelt aufzeichnet. Das ist alles! Alles! Mehr gibt es nicht!«
»Du hast keine Ahnung,
»Nein, aber ich weiß, wie es
»Du bist nicht für mein Leben verantwortlich.«
»Ich werde dir fünfhundert Dollar schicken - Olivia Brenner, postlagernd, Las Vegas.«
»Ich werde nicht mehr dasein. Sie werden sie zurückschicken.«
»Das können sie nicht. Ich werde keinen Absender angeben.«
»Dann wirf es lieber gleich weg.«
»Nimm’s und such dir damit eine bessere Arbeit.«
»Nein.«
»Dann benutz es als Toilettenpapier«, sagte er kurz angebunden und legte auf. Seine Hände zitterten.
Fünf Minuten später klingelte das Telefon wieder. Die Telefonistin fragte: »Nehmen Sie ein R-Gespräch …«
Er sagte: »Nein«, und legte wieder auf.
Das Telefon klingelte an dem Tag noch zweimal, aber es war beide Male nicht Olivia.
Gegen zwei Uhr rief Mary ihn aus Bobby und Janet Prestons Wohnung an. Bob und Janet erinnerten ihn immer an Fred und Wilma Feuerstein. Wie es ihm ginge. Gut. Eine Lüge.
Was er zum Abendessen vorhabe. Er würde ins Alte Zollhaus gehen und dort einen Truthahn mit allen Zutaten verspeisen.
Eine Lüge. Ob er nicht statt dessen rüberkommen und mit ihnen essen wolle? Janet hätte eine Menge Reste, die sie gerne loswerden wolle. Nein, im Augenblick sei er wirklich nicht hungrig. Die Wahrheit. Er hatte schon ziemlich geladen und sagte ihr aus einer spontanen Laune heraus, daß er zu Wally Hamners Party kommen wolle. Sie klang sehr erfreut. Ob er wüßte, daß sie die Getränke selbst mitbringen sollten? Wann hätte Hamner je eine Party geschmissen, bei der es nicht so wäre? war seine Antwort, und sie lachten beide darüber.
Dann legten sie auf, und er setzte sich mit einem Drink vor den Fernseher.
Um halb sieben klingelte das Telefon nochmals, und jetzt war er stinkbesoffen.
»-lo?«
»Dawes?«
»Hiersdawes, wersda?«
»Magliore, Dawes. Sal Magliore.«
Er blinzelte und spähte in sein Glas. Dann guckte er auf den Farbfernseher, der gerade einen Film mit dem Titel
»Mr. Magliore«, artikulierte er sorgfältig. »Frohe Weihnachten, Sir! Und ein besonders gutes neues Jahr!«