«Das Auszeichnende dieses Typus liegt aber besonders im Verhalten zu uns selbst und den Werturteilen gegenüber unseren Interessen, unseren Willensakten, unseren Handlungen, ja unserem Sein. Dieses Verhalten und diese Beurteilung wird nun nur mehr
«Auch bei gewissen Psychosen bildet sich häufig eine Spielform des charakterisierten allgemeinen Verhaltens aus: Es ist die große Abhängigkeit alles Verhaltens, Denkens, Tuns vom 'Zuschauer' und dem 'vermeinten' Eindruck auf ihn, der für die Hysterie so besonders in die Augen springend ist. Die Anwesenheit des Zuschauers verdrängt hier sofort das natürliche 'Beisichselbstsein' und setzt für den Kranken an Stelle seines Ichs und seines Selbstgefühls sein eigenes Bild im Zuschauer und dessen Wertvorzugsgesetze der Beurteilung. Auf dieses Bild hingerichtet und auf die Gemütsbewegungen, die es auslöst, redet er nun, 'benimmt er sich', 'handelt er': Ißt z.B. nichts, tötet sich unter Umstanden. Dies bloß 'gesteigerte Eitelkeit', 'Schauspielern', 'Koketterie' des Kranken zu nennen — wie manche Lehrbücher der Psychiatrie tun — wäre irrig. Der Eitle, der schauspielerische Mensch, die Kokette fühlen neben dem Bild, das sie bieten, immer noch, daß sie es sind, die es bieten. Sie pendeln gleichsam zwischen ihrem Ich und seinen realen Icherlebnissen und jenem Bilde hin und her. Der Kranke aber lebt in diesem Bild; das mögliche Bild seines Ich schiebt sich für ihn an Stelle des eigenen Ich. Die vermeinten jeweilig vollzogenen Bildvariationen, die er — in den Anderen hineingerissen — wahrzunehmen glaubt, bilden das jeweilig Determinierende für den Ablauf seines realen Erlebens, Ausdrückens, Handelns; nicht aber 'will' er erst dieses Bild-Variationen bewußt hervorbringen, um darauf mit dem Gefühl des angenehmen zu reagieren. Darum wird ein solcher Kranker nicht bloß — wie jener noch normale 'erste Schauspieler' — etwa eine unglückliche Miene zur Schau tragen, um das Mitleid des Anderen hervorzurufen, oder eine fröhliche, um ihn zu erfreuen; sondern er wird im ersten Falle sich selbst auch jeden beliebig großen Schmerz wirklich zufügen, eventuell sich wirklich töten; wirklich in heftige Lustigkeit geraten usw.; aber doch nur ganz abhängig vom Zuschauer und seiner Anwesenheit. Das tut der Eitle, der Schauspieler, die Kokette eben darum nicht, da sie ihr Ichbewußtsein nicht verlieren und nur zwischen ihren realen Zuständen und dem fremden Bilde 'pendeln'» (Seite <48>49).
«Ohne ein gewisses Selbstgefühl und Selbstwertgefühl — das nicht erst vom Eindruck auf Andere abgeleitet ist, sondern ursprünglich ist — kann der Mensch nicht sittlich leben» (Seite 50).
«Entscheidend für strikte Ablehnung der metaphysisch — monistischen Theorien ist für uns die Tatsache, daß die 'Distanz' der Personen und ihr einseitiges Verschiedenheitsbewußtsein im echten Mitgefühl, und zwar in seinen beiden Komponenten 'Nachfühlen' und 'Mitgefühl' (im engeren Sinne) durchaus phänomenal erhalten bleibt. Gerade das (echte) Mitgefühl ist weder Ansteckung noch Einsgefühl. Selbst im Miteinanderleiden 'desselben' Unwertverhaltes und 'derselben' Qualität des Gefühlszustandes — also in dem extremen Fall von Mitgefühl, in dem Nachfühlen und Mitgefühl noch ungeschieden sind, bleiben die Funktionen des 'Fühlens von Etwas' verschieden und ist das Verschiedenheitsbewußtsein ihres getrennten Ausgangspunktes (von 2 oder 3 oder x) individuellen Ichen her im Phänomen mitgegeben» (Seite 75).