«Es gibt also ebenso ursprünglich eine 'Selbstliebe' und einen 'Selbsthaß', wie es eine 'Fremdliebe' und einen 'Fremdhaß' gibt. 'Egoismus' ist nicht 'Selbstliebe'. Denn im 'Egoismus' ist mir nicht mein individuelles Selbst als Gegenstand der Liebe gegeben, herausgelöst aus allen sozialen Beziehungen und nur als Träger jener höchsten Wertarten gefaßt, die z.B. im Begriffe des 'Heiles' ihren Ausdruck finden, sondern ich bin mir im Streben gegeben als nur 'Einer unter Anderen', der dann nur die Werte Anderer einfach 'nicht berücksichtigt'. Gerade der Egoismus bedarf also des Hinsehens auf den Anderen und auch in der 'Nichtberücksichtigung' der Forderungen dieser Werte (die bereits ein positver Akt ist und nicht etwa das Fehlen eines solchen). 'Egoismus' ist nicht ein Verhalten 'als wäre man allein auf der Welt'; im Gegenteil, er setzt die Gegebenheit des Einzelnen als Glied der Gesellschaft voraus. Gerade der Egoist ist ganz von seinem 'sozialen Ich' eingenommen, das ihm sein individuelles intimes Selbst verdeckt! Und er hat auch dieses soziale Ich nicht zum Gegenstand eines Liebesaktes, sondern ist nur 'eingenommen' davon, d.h. lebt in ihm. Er ist auch nicht auf seine Werte gerichtet als Werte (sie nur eben an sich zufällig vorfindend), sondern auf alle Werte, auch alle Werte der Dinge und alle Werte Anderer nur, sofern sie seine sind oder werden und sein können, auf ihn Beziehung haben! Das alles ist das genaue Gegenteil der Selbstlicbel»] (Seite <175->176).
«In allem Wesentlichen angeschlossen hat sich den in diesem Kapitel Analysen Karl Jaspers in seiner 'Psychologie der Weltanschauungen' (Berlin 1919) in dem Kapitel 'Die enthusiastische Einstellung ist Liebe', S. 107 bis 119. Zum Problem selbst vgl. auch A. Pfänder: 'über Gesinnungen' (Niemeyer, Halle)»] (Seite 176).
«Doch warum dies? Aus dem einfachen Grunde, weil das sittliche 'Gutsein' einer Person (in seinem ursprünglichen Sinne) — und für die absolute Sphäre sogar allein — sich nach dem Maße der Liebe bestimmt, die sie hat; auch der sittliche Wert einer 'Gemeinschaft' z.B. nach dem Maße der in ihr überhaupt investierten Liebe. Eis darf also gar keine Liebe 'zu' einem 'Guten' geben, das ihr gegenständlich werden könnte — eben da die Liebe — unter den Akten — Träger des Wertes 'sittlich gut' im ausgezeichneten und ursprünglichsten Sinne ist. Wäre so etwas möglich wie eine echte Liebe zum Guten, so könnte ja die Liebe selbst nie Träger des Wertes sittlich gut im ursprünglichsten Sinne sein; sie ist aber der ursprünglichste Träger (unter den Akten) des 'Guten'. Eben an jener Bewegung vom niedrigen zum höheren Wert kommt der Wert 'gut' zur ursprünglichsten Erscheinung. Es ist daher auch ausgeschlossen, sein eigenes Gutsein zu lieben. Denn man kann nicht das eigene Lieben einer anderen Person lieben»] (Seite 188).
«Dies gilt auch Gott gegenüber. Die höchste Form der Gottesliebe ist nicht die Liebe 'zu Gott' als dem Allgütigen, d.h. einer Sache, sondern der Mitvollzug seiner Liebe zur Welt (amare mundum in Deo) und zu Sich selbst (amare Deum in Deo), d.h. das, was die Scholastiker, die Mystiker und vorher schon Augustin 'amare in deo' nannten. Wollen wir Gott die höchste sittliche Qualität in unendlicher Seinsweise zubilligen, so können wir dies nur, indem wir das Lieben (mit Johannes und Augustin) zu seinem innersten Wesen selber machen und sagen: Er sei 'unendliches Lieben'. An diesem Kern des göttlichen Aktzentrums haften erst seine 'Allgüte' und seine absolute sittliche Grundverhältnis zwischen 'Guten': die Gefolgschaft durch Nachfolge und durch Mitlieben» (Seite 189).