«Der religiöse 'Glaube' ist ja stets und immer ein 'Glauben an', nie ein bloßes 'Glauben, daß' — zwei grundverschiedene Dinge. Und soll ich sagen, was denn dieser 'Glaube an' eine charismatische Person eigentlich sei — im Unterschied von allen Glauben von Sachverhalten (dem Glauben, daß…), so finde ich keine andere Charakteristik als eben das, was wir geistig praktische Selbstidentifizierung mit einer Person — volles Sichselbsteinsetzen für sie und in sie nennen: Einssetzung der Personsubstanz hat Einsdenkung, Einswollung, Eins-fühlung dann allererst im Gefolge — und damit Um- und Einbildung des eigenen Selbst im Wesen und Gestalt des Meisters; eine dauernde dynamische Kette von immer neuen Gestaltreproduktionen der geistigen Gestalt des Meisters im Material der eigenen psychischen Gegebenheiten — vergleichbar der transversalen Wellenbewegung, bei der die Wellenge stalt auf immer neue Wasserteilchen übertragen wird» (Seite 101–102).
«Daß solcher 'Glaube an' als Geschenk, als Gnade, als Verliehen — nicht als spontane Leistung der Person — erlebt werden muß, ist — wenn man sein Wesen einmal verstanden hat — ein geradezu analytischer Satz. Das Ergriffenwerden, Gepakt-, überwältigtwerden durch die Wesensgestalt des Meisters ist hier so mächtig, daß der Akt der Zustimmung, der freilich ontisch in jedem 'Glauben an' liegt, in keiner Weise zu reflexivem Bewußtsein kommt. Gnadenwahl ist dann nur eine fragwürdige theologisch-metaphysische Rationalisierung dieses Grunderlebnisses des lebendigen Glaubensursprungs» (Seite 102).
«Viel Gutes darüber bei D.v.Hildebrand in: 'Der Geist des hl. Franziskus und der dritte Orden', München 1921. Ferner neuerdings L.Ziegler: 'Gestaltwandel der Götter', I. Bd.; das Kapitel über den 'Weg der Nachfolge'; die Charakteristik des Franz v. Assisi ist besonders gut geraten» (Seite 103).
«2. Joh. Jörgensen: 'Der heilige Franz von Assisi'» (Seite 105).
«Gutes Material zu einer Geschichtsphilosophie dieser abendländischen Gemütsgestalten enthalten die Werke 'Drei Stufen der Erotik' von E.Lucka und neuerdings das fleißige, ausgezeichnet gearbeitete, dankenswerte Werk von Paul Kluckhohn: 'Das Problem der Liebe im 18. Jahrhundert und in der deutschen Romantik.' Halle 1922» (Seite 110).
«In dem Gesagten liegt erstens, daß Liebe und Haß nicht etwa relativ sind auf die Beziehungspunkte 'Ich' und der 'Andere'; d.h. Liebe und Haß sind keine wesentlich sozialen Verhaltungsweisen[363]
, wie z.B. die Funktionen des Mit-fühlens sind. Man kann z.B. 'sich selbst lieben oder hassen'; nicht aber kann man mit sich mit-fühlen. Denn wenn man sagt, ein 'Mensch bemitleide sich selber', oder er habe z.B. 'Freude daran, daß er sich heute so freuen kann' (Aussagen, in denen man zweifellos sehr bestimmte Phänomene im Auge hat), so zeigt eine genauere Analyse doch immer, daß hier ein Phantasieinhalt vorliegt, in dem der betreffende Mensch 'a/s sei er ein Andere' sich selbst gleichsam zuschaut und 'als dieser (fiktive) Andere' seine eigenen Gefühle mitfühlt. So kann ich mich phantasiemäßig in die Lage versetzen, als ginge ich selber in meinem eigenen Leichenzug usw. Phänomenologisch bleibt aber auch dann das Mitgefühl ein sozialer Akt. Diese Art der Illusion ist bei der Selbstliebe und dem Selbsthass nicht notwendig. Für das Stattfinden von Liebe und Haß ist also die Richtung des Aktes auf einen 'Anderen', sowie irgendeine bewußte Verknüpftheit der Menschen durchaus nicht notwendige Voraussetzung. Nennen wir Akte, die auf Andere als Andere gerichtet sind, 'altruistische Akte', so sind Liebe und Haß durchaus nicht wesenhaft altruistische Akte. Denn Liebe ist primär auf Werte und auf Gegenstände' (durch die Werte, die sie tragen, transparent hindurch) orientiert, wobei es prinzipiell gleichgültig ist, ob 'ich' oder ein 'Anderer' die betreffende Werte hat. Der Fremdliebe steht also die Selbstliebe, dem Fremdhaß der Selbsthaß gleich ursprünglich gegenüber. Andererseits sind Akte, die auf Andere als Andere gerichtet sind, durchaus nicht notwendig 'Liebe'. Auch Neid, Bosheit, Schadenfreude sind auf Andere als Andere gerichtet. Nennt man 'Altruismus' eine Einstellung eines Menschen auf andere Menschen, eine stärkere Neigung, sich von sich und seinem Erleben abzuwenden, so hat diese 'soziale' Einstellung mit einer 'liebevollen' oder 'gütigen' Einstellung an sich nocht gar Nichts zu tun. Ist aber Liebe zu Anderen auf solchem abwendenden Akt fundiert, so ist sie gleichzeitig auf einen ursprünglicheren Haß fundiert, nämlich auf Selbstha (. Abwendung von sich, nicht bei 'sich' bleiben können (ein Typus ist z.B. der 'Vereinsmeier') hat mit Liebe Nichts zu tun» (Seite <173>174).