»Was weiter kam? Kaum hatte er die Ohrringe erblickt, als er sofort die Wohnung und den Mitrej vergaß, seine Mütze nahm und zu Duschkin lief; von ihm bekam er bekanntlich einen Rubel und log ihm vor, daß er die Ohrringe auf dem Trottoir gefunden habe. Und gleich darauf fing er zu bummeln an. Was aber den Mord betrifft, so bestätigt er, was er schon einmal gesagt hat: ›Ich weiß von nichts, hab es erst am dritten Tage erfahren.‹ – ›Warum hast du dich aber bisher nicht sehen lassen?‹ – ›Vor Angst.‹ – ›Und warum hast du dich erhängen wollen?‹ – ›Ich hatte so einen Gedanken.‹ – ›Was für einen Gedanken?‹ – ›Daß man mich einsperrt.‹ Das ist die ganze Geschichte. Nun, wie denkst du, was für Schlüsse haben sie daraus gezogen?«
»Was ist da viel zu denken, eine Spur ist doch immerhin vorhanden, eine Tatsache. Sollte man etwa deinen Anstreicher laufen lassen?«
»Sie haben ihn aber einfach zum Mörder gemacht! Sie haben gar keine Zweifel ...«
»Du übertreibst, du bist zu hitzig. Nun, und die Ohrringe? Gib doch zu, daß, wenn die Ohrringe am gleichen Tage und zur selben Stunde aus der Truhe der Alten in Mikolais Hände geraten sind, – so gib doch zu, daß sie auf irgendeine Weise zu ihm geraten sein müssen! Das ist doch bei einer solchen Untersuchung gar nicht unwichtig.«
»Wie sie geraten sind! Wie sie geraten sind!« schrie Rasumichin. »Siehst du denn nicht, der du als Arzt vor allen Dingen verpflichtet bist, den Menschen zu studieren, und mehr als jeder andere die Gelegenheit hast, die menschliche Natur zu erfassen, siehst du denn aus allen diesen Daten nicht, was für eine Natur dieser Mikolai ist? Siehst du denn nicht gleich auf den ersten Blick, daß alles, was er bei den Verhören ausgesagt hat, die heiligste Wahrheit ist? Die Ohrringe sind in seine Hände genau so geraten, wie er es ausgesagt hat: er ist auf die Schachtel getreten und hat sie aufgehoben!«
»Die heiligste Wahrheit? Er hat aber doch selbst gestanden, daß er das erste Mal gelogen hat!«
»Höre, was ich sage, höre aufmerksam zu: der Hausknecht, und Koch, und Pestrjakow, und der zweite Hausknecht, und die Frau des ersten Hausknechts, und die Kleinbürgerin, die um jene Zeit in der Hausmeisterwohnung saß, und der Hofrat Krjukow, der im selben Augenblick aus einer Droschke stieg und mit einer Dame am Arm in den Torweg trat, sie alle, das heißt acht oder neun Zeugen, sagen übereinstimmend aus, daß Mikolai den Dmitrij zu Boden gedrückt hatte, auf ihm lag und ihn mit den Fäusten bearbeitete und daß jener ihn an den Haaren gepackt hatte und mit den Fäusten schlug. Sie liegen beide quer im Wege und versperren die Passage; man schimpft auf sie deswegen von allen Seiten, sie aber ›liegen wie kleine Kinder‹ (buchstäblicher Ausdruck der Zeugen) aufeinander, kreischen, balgen sich und lachen, lachen beide um die Wette, mit den komischsten Fratzen, und dann laufen beide wie die Kinder auf die Straße, und einer will den anderen fangen. Hast du es gehört? Nun beachte folgendes: die Leichen oben sind noch warm, du hörst? – sie waren noch warm, als man sie fand! Wenn sie beide, oder Mikolai allein, die Frauen ermordet und dabei die Kästen erbrochen haben, oder nur irgendwie am Verbrechen beteiligt waren, so erlaube mir, nur diese eine Frage zu stellen: wie reimt sich ein solcher Seelenzustand, das heißt das Kreischen, Lachen, die kindliche Balgerei im Torweg, mit den Axten, Blut, mit der verbrecherischen List und Vorsicht und mit dem Raube zusammen? Sie haben erst eben, also vor fünf oder höchstens zehn Minuten, den Mord begangen – das folgt daraus, daß die Leichen noch warm waren –, und plötzlich lassen sie die Leichen in der offenen Wohnung liegen, obwohl sie wissen, daß eben Menschen hinaufgegangen sind, lassen auch die Beute im Stich und wälzen sich wie kleine Kinder im Torweg, lachen und ziehen die allgemeine Aufmerksamkeit auf sich, was von zehn Zeugen übereinstimmend bestätigt wird!«
»Das ist allerdings sonderbar! Natürlich ist dies unmöglich, aber ...«