Zwei weitere Hiebe folgten. Die Körper der Toten zuckten, als sie sich zu zersetzen begannen; sie wurden zunächst zu tropfendem, säurehaltigem Brei, dann zu Asche. Animalische Schreie erfüllten die Gasse, als Lucan den Kopf eines weiteren Vampirs abtrennte und dann herumwirbelte, um den Rumpf des nächsten Rogue zu durchbohren. Die Blutbestie fauchte durch ihre gebleckten, blutigen Zähne hindurch, Blut tropfte ihr noch von den Fangzähnen. Blassgoldene Augen blickten Lucan verächtlich an, und die riesigen Iris vergrößerten sich vor Hunger und verschlangen die Pupillen, bis diese nur noch aus dünnen, vertikalen Schlitzen bestanden. Die ganze Kreatur verkrampfte sich, griff mit langen Armen nach Lucan. Ihr Mund verzerrte sich zu einem seltsamen und schrecklichen, höhnischen Grinsen, als der Stahl des Zwillingsschwerts ihr Blut vergiftete und den Vampir in einen schwelenden Fleck auf der Straße verwandelte.
Nur ein Rogue war übrig geblieben. Lucan wirbelte herum und riss die Klingen seines Zwillingsschwerts hoch, bereit, erneut zuzuschlagen.
Aber der Vampir war verschwunden – in die Nacht geflohen, bevor er ihn niedermetzeln konnte.
Noch nie zuvor hatte er einen der Bastarde seiner gerechten Strafe entkommen lassen. Und er hätte es auch dieses Mal nicht zulassen dürfen. Er überlegte, den Rogue zu verfolgen, aber das würde bedeuten, dass er den Schauplatz der Bluttat so wie er war zurückließe. Und das war mit Sicherheit das größere Risiko – die Menschen das volle Ausmaß der Gefahr wissen zu lassen, die mitten unter ihnen weilte. Denn nicht zuletzt wegen der Rogues und ihrer außergewöhnlichen Grausamkeit war Lucans Volk in der Vergangenheit immer wieder von den Menschen verfolgt und gejagt worden. Das Vampirvolk würde ein neues Zeitalter der Vergeltung möglicherweise nicht überleben, nun, da der Mensch die Technologie auf seiner Seite hatte.
Bis die Rogues besiegt – oder noch besser: gänzlich ausgerottet – waren, durfte die Menschheit nicht erfahren, dass die Vampire so zahlreich mitten unter ihnen lebten.
Als er damit begann, den Schauplatz von allen Spuren des Kampfes zu reinigen, kehrten Lucans Gedanken immer wieder zu der Frau mit dem rotblonden Haar und der zarten alabasterfarbenen Haut zurück.
Wie war es möglich, dass sie in der Lage gewesen war, die Rogues in der Gasse zu finden?
Die Menschen behaupteten immer wieder, dass Vampire nach Belieben verschwinden konnten, doch die Wahrheit war eine andere, wenn auch kaum weniger bemerkenswert. Vampire konnten sich einfach schneller bewegen, als es das menschliche Auge zu erfassen vermochte. Dazu kam ihre hypnotische Macht, die sie über den Verstand niederer Lebensformen besaßen. Seltsamerweise hatte diese Frau gegen beides immun gewirkt.
Lucan wurde nun klar, dass er sie schon in dem Club gesehen hatte. Sein Blick war durch ihr Paar seelenvoller Augen und ihre offensichtliche Verlorenheit, die seiner eigenen sehr ähnelte, von seinem Opfer abgelenkt worden. Sie hatte ihn ebenfalls bemerkt und angestarrt. Selbst durch die Menschenmenge und die verrauchte Luft hindurch hatte Lucan ihren Duft wahrgenommen – etwas Exotisches, Seltenes.
Er roch es auch jetzt, eine zarte Duftnote, die in der Nachtluft hing, seine Sinne reizte und seine primitivsten Gelüste ansprach. Sein Zahnfleisch schmerzte, als sich seine Fangzähne verlängerten, eine physische Reaktion auf Verlangen – fleischlich oder anderweitig –, das zu zügeln er unfähig war. Er witterte sie, und er hungerte, kaum besser als seine Blutbestienbrüder.
Lucan legte den Kopf in den Nacken und sog den Geruch der Frau tiefer in seine Lungen. Er spürte sie mit dem scharfen Geruchssinn eines Vampirs quer durch die Stadt auf. Es war mehr als unklug, der einzigen Zeugin des Überfalls der Rogues die Erinnerung an das zu lassen, was sie gesehen hatte. Lucan würde die Frau aufsuchen und alle Mittel ergreifen, die nötig waren, um den Schutz des Stammes zu sichern.
Und in seinem Hinterkopf flüsterte ein uraltes Bewusstsein, dass sie, wer auch immer sie war, bereits ihm gehörte.
„Ich sage Ihnen, ich habe die ganze Sache gesehen. Es waren sechs, und sie zerrten mit Händen und Zähnen an dem Mann – wie Tiere. Sie haben ihn getötet!“
„Miss Maxwell, wir haben heute Nacht bereits mehrmals darüber gesprochen. Also, wir sind alle müde, und es wird immer später.“