So fuhren sie wieder einmal miteinander, der Trapezk"unstler lag im Gep"acknetz und tr"aumte, der Impresario lehnte in der Fensterecke gegen"uber und las ein Buch, da redete ihn der Trapezk"unstler leise an. Der Impresario war gleich zu seinen Diensten. Der Trapezk"unstler sagte, die Lippen beissend, er m"usse jetzt f"ur sein Turnen, statt des bisherigen einen, immer zwei Trapeze haben, zwei Trapeze einander gegen"uber. Der Impresario war damit sofort einverstanden. Der Trapezk"unstler aber, so als wolle er zeigen, dass hier die Zustimmung des Impresario ebenso bedeutungslos sei, wie es etwa sein Widerspruch w"are, sagte, dass er nun niemals mehr und unter keinen Umst"anden nur auf einem Trapez turnen werde. Unter der Vorstellung, dass es vielleicht doch einmal geschehen k"onnte, schien er zu schaudern. Der Impresario erkl"arte, z"ogernd und beobachtend, nochmals sein volles Einverst"andnis, zwei Trapeze seien besser als eines, auch sonst sei diese neue Einrichtung vorteilhaft, sie mache die Produktion abwechslungsreicher. Da fing der Trapezk"unstler pl"otzlich zu weinen an. Tief erschrocken sprang der Impresario auf und fragte, was denn geschehen sei, und da er keine Antwort bekam, stieg er auf die Bank, streichelte ihn und dr"uckte sein Gesicht an das eigene, so dass es auch von des Trapezk"unstlers Tr"anen "uberflossen wurde. Aber erst nach vielen Fragen und Schmeichelworten sagte der Trapezk"unstler schluchzend: "Nur diese eine Stange in den H"anden – wie kann ich denn leben! " Nun war es dem Impresario schon leichter, den Trapezk"unstler zu tr"osten; er versprach, gleich aus der n"achsten Station an den n"achsten Gastspielort wegen des zweiten Trapezes zu telegraphieren; machte sich Vorw"urfe, dass er den Trapezk"unstler so lange Zeit nur auf einem Trapez hatte arbeiten lassen, und dankte ihm und lobte ihn sehr, dass er endlich auf den Fehler aufmerksam gemacht hatte. So gelang es dem Impresario, den Trapezk"unstler langsam zu beruhigen, und er konnte wieder zur"uck in seine Ecke gehen. Er selbst aber war nicht beruhigt, mit schwerer Sorge betrachtete er heimlich "uber das Buch hinweg den Trapezk"unstler. Wenn ihn einmal solche Gedanken zu qu"alen begannen, konnten sie je g"anzlich aufh"oren? Mussten sie sich nicht immerfort steigern? Waren sie nicht existenzbedrohend? Und wirklich glaubte der Impresario zu sehn, wie jetzt im scheinbar ruhigen Schlaf, in welchen das Weinen geendet hatte, die ersten Falten auf des Trapezk"unstlers glatter Kinderstirn sich einzuzeichnen begannen.
2. EINE KLEINE FRAU
Es ist eine kleine Frau; von Natur aus recht schlank, ist sie doch stark geschn"urt; ich sehe sie immer im gleichen Kleid, es ist aus gelblich-grauem, gewissermassen holzfarbigem Stoff und ist ein wenig mit Troddeln oder knopfartigen Beh"angen von gleicher Farbe versehen; sie ist immer ohne Hut, ihr stumpfblondes Haar ist glatt und nicht unordentlich, aber sehr locker gehalten. Trotzdem sie geschn"urt ist, ist sie doch leicht beweglich, sie "ubertreibt freilich diese Beweglichkeit, gern h"alt sie die H"ande in den H"uften und wendet den Oberk"orper mit einem Wurf "uberraschend schnell seitlich. Den Eindruck, den ihre Hand auf mich macht, kann ich nur wiedergeben, wenn ich sage, dass ich noch keine Hand gesehen habe, bei der die einzelnen Finger derart scharf voneinander abgegrenzt w"aren, wie bei der ihren; doch hat ihre Hand keineswegs irgendeine anatomische Merkw"urdigkeit, es ist eine v"ollig normale Hand.