„Selbstverständlich!“ antwortete Kamow. „Aber es besteht gar kein Grund zur Besorgnis. Das Gelände ist völlig verödet. Erwarten Sie mich in zwei Stunden zurück.“
Nachdem Kamow seine Waffe geprüft hatte, schnallte er sich den Sauerstoffbehälter auf den Rücken und zog, damit er ihn beim Klettern nicht behinderte, die Riemen fest an.
Der Felsen, den er sich ausgewählt hatte, stand etwa fünfzehn Meter vom Wagen entfernt und war mindestens zehn Meter hoch. Von seinem Gipfel mußte sich ein weiter Ausblick bieten. Das Gestein war stark verwittert, aber dieser Umstand konnte Kamow nur zustatten kommen! Um so leichter würde er die steile Wand bezwingen. Für alle Fälle nahm er noch ein langes Seil mit. Er setzte die Maske auf und verließ den Wagen, dessen Tür er fest hinter sich schloß.
Kamow trat an den Felsen heran. Wind und Wetter hatten das Gestein zerstört und gehöhlt. An vielen Stellen waren große Granitstücke abgebröckelt. Dicht unter dem Gipfel hatte sich ein Vorsprung gebildet, über den sich eine Schlinge werfen ließ. Das würde den Aufstieg bedeutend erleichtern. Schon der zweite Wurf gelang. Die Schlinge legte sich fest um den Vorsprung. Kamow begann sich hinaufzuziehen. Obwohl sein Körpergewicht hier nur etwa dreißig Kilogramm betrug, hatte er doch nicht erwartet, daß der Aufstieg so mühelos vor sich gehen würde. In wenigen Minuten hatte er den Gipfel erreicht. Stehen konnte er hier nicht, also legte er sich auf den Bauch, wobei er sich mit den Füßen gegen den Vorsprung stemmte, über den er sein Seil geworfen hatte.
Kamow konnte nun das ganze Felspanorama übersehen.
An der Gruppierung der Felsen erkannte er sofort, daß sie auf natürlichem Wege entstanden waren. Er unterdrückte seine Enttäuschung und machte etliche Aufnahmen. Dann wandte er sich vorsichtig nach der anderen Seite, um auch diese zu fotografieren.
Am Fuße des Felsens, den er erklommen hatte, befand sich ein freier Platz von zwanzig bis fünfundzwanzig Meter Durchmesser. Als Kamow hinunterschaute, lief ihm ein Schauer über den Rücken. Einem Teppich gleich breitete sich da unten matt schimmernd das ihm wohlbekannte silbrigweiße Fell. Echsen!
Es waren sehr viele. Eng aneinandergedrängt lagen sie auf dem Sand und schienen zu schlafen. Sonderbar, daß sie seine Gegenwart nicht spürten. Er war ihnen doch ganz nahe gewesen, als er am Fuße des Felsens stand. Vielleicht ging diesen Raubtieren die Witterung ab, die bei ihren Artgenossen auf der Erde so hoch entwickelt war? Ohne es zu ahnen, war er auf ihren Unterschlupf gestoßen, auf die Stätte, an der sich die Raubtiere tagsüber verborgen hielten.
Er mußte schleunigst von hier weg, solange sie noch schliefen. Wenn auch nur eine von ihnen aufwachte, ihn sah, war der Rückweg abgeschnitten.
Kamow machte rasch einige Aufnahmen. Er konnte sich nicht enthalten, die schlafenden Echsen zu fotografieren.
Auf der Erde hätte das Schnappen des Kameraverschlusses die Tiere sofort geweckt, aber in der dünnen Marsluft pflanzte sich der Schall nur schlecht fort. Die Echsen lagen immer noch unbeweglich.
Kamow steckte den Apparat ein und ließ sich behutsam hinab zum Seil. Ach, schliefen doch die Tiere nur noch drei, vier Minuten, er würde seinen Wagen erreichen!
Während er sich mit beiden Händen am Seil festhielt, schaute er nach unten. Vor Entsetzen begann ihm das Herz wie rasend zu hämmern. Wieder jagte ihm ein Schauer über den Rücken. Direkt unter ihm, an der Stelle, wo er sich hinablassen mußte, schimmerte ein langer, silbriger Leib. Graugrüne Katzenaugen starrten ihn unverwandt an und verfolgten jede seiner Bewegungen. Sprungbereit duckte sich das Tier zu Boden.
Konnte es einen zehn Meter hohen Sprung ausführen?
Kamow nahm den Revolver und kletterte, das Tier nicht aus den Augen lassend, wieder auf den Gipfel. Warum hatte er nur kein Gewehr mitgenommen! Aus dieser Entfernung hätte jeder Schuß tödlich getroffen. Mit dem Revolver aber konnte er das Tier unter Umständen nur verwunden. Zudem würden die schlafenden Echsen natürlich erwachen. Nein, schießen durfte er nicht. Er schmiegte sich an den Felsen, bemüht, nicht die geringste Bewegung zu tun, und beobachtete seinen Gegner.
Das Raubtier machte keine Anstalten zu springen. Es lag im Sand und sah den Menschen unverwandt an.
Wenn das Tier sich nicht zurückzog, würde die Lage ernst werden. Vor seinen Augen hinunterzusteigen, war unmöglich. Warten? Wie lange? Worauf?
Kamow wußte nichts von der Verhaltensweise der Echsen. Wie lange mochte die Geduld des Tieres reichen, wie hoch mochte der Grad seines Vorstellungsvermögens sein? Ob es begriff, daß der Mensch da oben wieder herunterkommen mußte? Was mochte es überhaupt von dem ihm unbekannten Wesen denken, das plötzlich in seinem Reich aufgetaucht war?
Kamow beschloß, eine halbe Stunde zu warten. Wenn die Echse sich nicht zurückzog, würde er versuchen, sie zu erlegen oder durch den Schuß zumindest in die Flucht zu schlagen. Der Knall würde in der dünnen Luft die anderen Tiere vielleicht gar nicht wecken.