Ich kehrte an Bord zurück. Belopolski saß an Paitschadses Bett. Dicht neben ihm befand sich auch die Funkstation. Ich ging in mein Laboratorium und räumte auf.
Nachdem ich meine Arbeit im Labor beendet hatte, kehrte ich zu den beiden Astronomen zurück. Sie unterhielten sieh über Dinge, die nichts mit dem Mars und unserem Aufenthalt auf dem Planeten zu tun hatten. Kamow hatte sich noch nicht gemeldet. Ich trat ans Fenster und blickte hinaus auf das bereits vertraute Bild der Marswüste. Der Tag war klar und windstill.
Um vierzehn Uhr zehn teilte Kamow mit, er trete die Rückfahrt an. Er bat uns, in einer Stunde das Leitsignal zu geben, weil er auf einem anderen Wege zurückkehren wollte.
Die Stunde verging. Belopolski schaltete das Mikrofon ein. Es folgte ein kurzes Gespräch, von dem ich nicht ein Wort vergessen habe. Kamow überraschte uns mit der Neuigkeit, daß er Felsen entdeckt habe. Diese Worte wirkten zündend, sogar Paitschadse richtete sich erregt auf. Felsen auf dem Mars! „Endlich!“ murmelte er.
Kamow sagte, er wolle den Wagen verlassen, um seine Entdeckung näher zu untersuchen und Gesteinsproben zu sammeln. Paitschadse bat ihn, vorsichtig zu sein, worauf Kamow das Gespräch ziemlich hastig abbrach. Möglicherweise befürchtete er weitere Einwände.
Als ein Geräusch verkündete, daß Kamow abgeschaltet hatte, sprang Paitschadse unerwartet von seinem Lager auf.
Belopolski schüttelte mißbilligend den Kopf.
„Es besteht doch gar kein Grund zur Besorgnis“, sagte er.
„Ich weiß“, antwortete Paitschadse.
„Weshalb regen Sie sich denn auf?“
„Das weiß ich nicht, aber ich bin nun mal aufgeregt.“
In diesem Augenblick erinnerte ich mich an Basons Aufnahme, die ich entwickelt hatte — Hapgoods Kopf im Rachen des Ungeheuers — und sagte unwillkürlich: „Und wenn nun eine Echse …?“
Keiner sprach ein Wort. Im Observatorium trat bedrückende Stille ein. Paitschadse vergaß Kamows Mahnung, bis zum Start liegenzubleiben, und schritt in dem engen Zwischenraum zwischen Pult und Tür langsam auf und ab.
Hin und wieder blieb er stehen und schickte einen langen, flehentlichen Blick zur Funkstation, als wolle er den Empfänger zum Sprechen bewegen. Belopolski schaute öfter als nötig auf die Uhr und verriet dadurch sein geheimes Bangen.
„Erwarten Sie mich in zwei Stunden zurück“, hatte Kamow gesagt.
Stunde um Stunde verstrich, doch von Kamow kam kein Lebenszeichen. Belopolski schaltete einige Male das Mikrofon ein. Nichts rührte sich. Nur das gleichmäßig leuchtende Kontrollämpchen zeigte an, daß die Funkanlage des Geländewagens in Betrieb war.
Quälend langsam verging die Zeit. Ich verließ meinen Platz am Fenster nicht einen Augenblick. Die Augen schmerzten, so angestrengt spähte ich in die Richtung, in der der Wagen auftauchen mußte. Die Stunde, zu der Kamow zurück sein wollte, war längst verflossen, aber der Wagen zeigte sich nicht. Die Kontrollampe in der Funkstation brannte zu unserer größten Qual nach wie vor.
Was war los? Wo befand sich Kamow? Warum blieb er dem Wagen so lange fern? Unwillkürlich drängte sich einem die furchtbare Frage auf: Ist er noch am Leben?
Die Zeit verstrich … Ich wagte nicht, auf die Uhr zu sehen. Es ging nur noch um wenige Minuten.
Unablässig klangen mir die Worte Kamows im Ohr:
„Das Schiff muß unter allen Umständen pünktlich starten“, worauf Belopolski geantwortet hatte: „Das verspreche ich Ihnen.“ Würde sich Konstantin Jewgenjewitsch entschließen können, sein Versprechen zu halten?
Ich wußte, er würde sich dazu entschließen müssen. Die begrenzte Geschwindigkeit des Schiffes machte uns zu Sklaven des Terminplanes. Das Raumschiff mußte zur festgesetzten Zeit den Mars verlassen, wollte man nicht die ganze Expedition dem Untergang preisgeben.
Im Observatorium herrschte tiefe Stille. Jeder verschloß seine Gedanken in sich, keiner wagte, dem andern in die Augen zu sehen, aus Furcht, er könnte in ihnen die eigene unausgesprochene Frage lesen.
Der erste, der es nicht mehr aushielt und das Schweigen brach, war Belopolski. Er sprang plötzlich auf und trat mit schnellen Schritten ans Fenster. Einige Minuten sah er mit seltsam starrem Blick in die Ferne. Große Schweißtropfen glänzten auf seiner Stirn. Er drehte sich um und sagte leise:
„Noch zwanzig Minuten!“
Ich zitterte am ganzen Körper. Paitschadse rührte sich nicht. Keiner von uns antwortete.
„Bringen Sie Bason her“, wandte sich Belopolski darauf an mich.
Bason herbringen … Wahrhaftig, ein tröstlicher Ersatz für Kamow!
Zu viert waren wir hier angelangt, und zu viert würden wir auch wieder zur Erde zurückfliegen.
Ich öffnete die Tür zu Basons Kajüte. „Folgen Sie mir!“
„Verläßt das Schiff den Mars?“ fragte der Amerikaner.
Ich gab ihm keine Antwort.
„Setzen Sie die Helme auf!“ befahl Belopolski in englischer Sprache. Er wollte diese schrecklichen Worte nicht zweimal aussprechen. Der Helm, den er Bason reichte, war, wie ich bemerkte, sein eigener. Den, der Kamow gehörte, behielt er für sich.
So war denn alles zu Ende … Wir flogen fort! …
„Konstantin Jewgenjewitsch!“ flüsterte Paitschadse.