Wenn die aus einem Experiment gewonnene Erkenntnis auf das exakte Versuchsumfeld begrenzt wäre, dann wäre sie auch nur von begrenztem Wert. Verstehen Sie Experimente vielmehr so, dass sie Ihnen einen Einblick in unser Denken und die Prozesse unserer Entscheidungsfindung gewähren – nicht nur im Rahmen eines bestimmten Experiments, sondern, extrapoliert, in vielen Lebenssituationen.
So habe ich in jedem Kapitel die Erkenntnisse aus den Experimenten auf andere Zusammenhänge übertragen und versucht, Auswirkungen auf Privatleben, Geschäftswelt und staatliche Politik zu beschreiben. Die von mir gezogenen Schlussfolgerungen sind natürlich nur exemplarisch.
Damit Sie, lieber Leser, aus diesem Buch und der Sozialwissenschaft im Allgemeinen wirklich einen Nutzen ziehen, ist es wichtig, dass Sie ein wenig darüber nachdenken, wie sich die in den Experimenten herauskristallisierten Prinzipien menschlichen Verhaltens auf Ihr Leben übertragen lassen. Ich schlage vor, dass Sie nach jedem Kapitel eine Pause einlegen und überlegen, ob sich diese Prinzipien positiv oder negativ auf Ihr Leben auswirken könnten, und, noch wichtiger, was Sie aufgrund Ihres neugewonnenen Verständnisses der menschlichen Natur anders machen könnten. Hier wartet das wahre Abenteuer.
Und jetzt machen wir uns auf den Weg.
EINS
Die Wahrheit über die Relativität
Warum alles relativ ist – auch dort, wo es nicht so sein sollte
Eines Tages stieß ich beim Surfen im Internet (natürlich rein beruflich, nicht zum Zeitvertreib) auf der Webseite der Zeitschrift The Economist
auf eine Abonnementswerbung. Ich las die Angebote hintereinander, und das erste Angebot – ein Internet-Abonnement für 59 Dollar – klang vernünftig. Die zweite Option – ein Abonnement für die gedruckte Ausgabe für 125 Dollar – schien etwas teuer, aber immer noch angemessen.Doch dann las ich die dritte Option: ein Abonnement der gedruckten und
der Internet-Ausgabe für 125 Dollar. Ich las das Angebot zweimal, ehe meine Augen wieder nach oben wanderten. Wer würde denn allein die gedruckte Ausgabe abonnieren, fragte ich mich, wenn die Internet- und die gedruckte Version zusammen zum selben Preis angeboten werden? Nun, vielleicht hatte sich beim Preis für die Papierversion ein Druckfehler eingeschlichen, aber ich vermute, dass die cleveren Leute im Londoner Büro des Economist (und sie sind clever – und auf britische Art ganz schön schlitzohrig) mich manipulieren wollten. Mit ziemlicher Sicherheit wollten sie erreichen, dass ich von dem Angebot für die Internet-Version allein (auf die, wie sie annahmen, meine Wahl fallen würde, da ich die Werbung im Internet las) absah und mich für die teurere Version entschied: Internet und gedruckte Ausgabe.Aber wie konnten sie mich manipulieren? Vermutlich, weil die Marketinggenies des Economist
(ich sah sie geradezu vor mir in Schulblazer und -krawatte) etwas ganz Wichtiges über das menschliche Verhalten wussten: Wir entscheiden uns selten aufgrund eines absoluten Maßstabs. Wir haben kein inneres Messinstrument, das uns sagt, wie viel eine Sache wert ist. Vielmehr orientieren wir uns am relativen Vorteil einer Sache gegenüber einer anderen und schätzen ihren Wert dementsprechend ein. (Zum Beispiel wissen wir nicht, wie viel ein Sechszylinderauto kostet, können uns aber denken, dass es teurer ist als ein Modell mit vier Zylindern.)Im Fall des Economist
hätten Sie vielleicht nicht sagen können, ob das Abonnement der Internet-Version für 59 Dollar besser ist als das Abonnement der gedruckten Ausgabe allein für 125 Dollar. Aber Sie wissen natürlich, dass die Option »gedruckte Ausgabe plus Internet« für 125 Dollar ein besseres Angebot ist als ausschließlich die Papierversion für 125 Dollar. Sie können daraus nämlich den logischen Schluss ziehen, dass Sie das Internet-Abonnement beim kombinierten Paket umsonst bekommen! »Das ist echt geschenkt, greifen Sie zu, mein Bester!«, hörte ich die Werbefachleute vom Themseufer rufen. Und ich muss zugeben, dass ich mich wahrscheinlich selbst für das Paket entschieden hätte, wenn ich den Economist hätte abonnieren wollen. (Als ich das Angebot später bei einer großen Zahl von Probanden testete, bevorzugte die überwiegende Mehrheit ebenfalls das Internet-plus-Papierversion-Paket.)