Willie Sutton sagte einmal, er habe Banken ausgeraubt, weil dort das Geld sei. Nach dieser Logik würde er heute womöglich das Kleingedruckte für ein Kreditkartenunternehmen schreiben oder für eine Fluggesellschaft die angeblich ausgebuchten Termine anstreichen. Dort ist zwar nicht die bare Münze, aber sicher das große Geld.
DREIZEHN
Bier und kostenlose Ratschläge
Die Carolina Brewery ist ein hippes Lokal in der Franklin Street, der Hauptstraße vor der University of North Carolina in Chapel Hill. In der hübschen Straße mit den Backsteinhäusern und den alten Bäumen gibt es zahlreiche Restaurants, Bars und Cafés – mehr, als man in einer Kleinstadt erwartet.
Die Carolina Brewery ist ein altes Gebäude mit hohen Decken und nackten Balken und ein paar großen Sudkesseln, das einen netten Abend verheißt. Im ganzen Raum stehen verstreut halb separierte Tische. Es ist eines der Lieblingslokale von Studenten, aber auch von älteren Leuten, die das gute Bier und das leckere Essen zu schätzen wissen.
Kurz nachdem ich meine Stelle am MIT angetreten hatte, dachten Jonathan Levav (Professor an der Columbia University) und ich uns Fragen aus, die wir in einer solch angenehmen Kneipe stellen könnten. Wir kamen auf folgende: Beeinflussen die nacheinander folgenden Bestellungen die Auswahl, die die Leute an einem Tisch letztlich treffen? Anders ausgedrückt: Lassen sich die Gäste von der Wahl der anderen am Tisch beeinflussen? Zweitens: Wenn das der Fall ist, zeigt sich dann eher eine Konformität oder eine Nichtkonformität? Mit anderen Worten: Würden die Gäste an einem Tisch absichtlich andere Biersorten bestellen als die anderen oder eher dieselben? Schließlich wollten wir noch herausfinden, ob sich die Leute, die sich von der Wahl der anderen beeinflussen ließen, dann besser oder schlechter fühlten beziehungsweise ob sie ihr Bier mehr oder eher weniger genossen.
In diesem Buch habe ich Experimente beschrieben, von denen ich hoffte, sie würden überraschende und erhellende Ergebnisse bringen. Wenn dies eintrat, dann im Großen und Ganzen deshalb, weil sie der allgemeinen Annahme zuwiderliefen, dass wir im Grunde alle rational handeln. Immer wieder habe ich Beispiele geschildert, die Shakespeares Darstellung unserer Gattung im Hamlet widerlegen: »Welch ein Meisterwerk ist der Mensch!« Wir sind nicht »edel durch Vernunft« noch »unbegrenzt an Fähigkeiten« und »im Begreifen« ziemlich schwach. (Ich glaube, ehrlich gesagt, dass Shakespeare das sehr gut wusste und das, was er Hamlet an dieser Stelle sagen lässt, nicht der Ironie entbehrt.)
In diesem letzten Kapitel werde ich ein Experiment vorstellen, das ein weiteres Beispiel für unsere vorhersehbare Irrationalität ist. Anschließend werde ich die gängige Sicht der konventionellen Ökonomen auf das menschliche Verhalten weiter ausführen, es mit der Verhaltensökonomik kontrastieren und einige Schlüsse ziehen. Beginnen wir mit dem Experiment.
Um zum Boden des brodelnden Fasses mit Fragen vorzudringen, die wir uns in der Carolina Brewery ausgedacht hatten, beschlossen Jonathan und ich, uns kopfüber hineinzustürzen – metaphorisch natürlich. Zunächst baten wir den Geschäftsführer, den Gästen kostenlos Bier auszuschenken – das wir selbstverständlich bezahlen würden. (Können Sie sich vorstellen, wie schwer es später war, die Buchhaltung des MIT davon zu überzeugen, eine Rechnung über 1400 Dollar als Forschungsspesen zu akzeptieren?) Der Geschäftsführer willigte gern ein. Schließlich würde er mit uns guten Umsatz machen, und die Freibiere würden bei den Gästen den Wunsch verstärken, wiederzukommen.
Als er uns unsere Kellnerschürzen gab, nannte er uns seine einzige Bedingung: Wir mussten die Bestellungen innerhalb einer Minute aufnehmen, nachdem die Leute sich hingesetzt hatten. Wenn wir es in dieser Zeit nicht schafften, sollten wir den normalen Kellnern Bescheid geben, die die Aufgabe dann für uns übernehmen würden. Das war nur vernünftig. Der Geschäftsführer wusste nicht, wie effizient wir als Kellner arbeiten würden, und er wollte nicht, dass die Gäste zu lange warten mussten. Schließlich nahmen wir unsere Arbeit auf.
Kaum dass eine Gruppe Platz genommen hatte, ging ich zu ihrem Tisch. Anscheinend handelte es sich um zwei Studentenpärchen in unteren Semestern. Die beiden jungen Männer trugen vermutlich ihre besten Hosen, und die jungen Damen waren so stark geschminkt, dass Elizabeth Taylor im Vergleich dazu natürlich gewirkt hätte. Ich begrüßte sie, bot ihnen das Freibier an und beschrieb die vier Sorten: