Der Mechaniker nickte und spuckte nochmals aus. Gleich darauf stieg er in den Abschleppwagen und setzte so zurück, dass er direkt vor dem Volvo zu stehen kam. Seine grünen Augen funkelten.
In der Zwischenzeit hatte Krista ihre Tochter, die im Straßengraben nach Grashüpfern suchte, zu sich gewunken. Beide quetschten sich auf den Beifahrersitz von Ernie Thurstons Ford. Während sie auf ihn warteten, zupfte Kath gedankenverloren an der Füllung, die aus einem Riss im Kunststoffpolster quoll.
19
Der Zwischenaufenthalt in Montreal dauerte kaum mehr als eine Stunde. Den Großteil der Zeit verbrachte Scott damit, dass er in einer Bar am Abflug-Gate ein Bier genoss. Den recht unbeholfenen Annäherungsversuchen einer beschwipsten Prostituierten schenkte er keine Beachtung.
Nach dem Gespräch mit Krista hatte er am restlichen Vormittag versucht, ein bisschen Schlaf nachzuholen. Aber die Nacht voller Sorgen hatte die Wirkung eines Aufputschmittels, so dass er keine Ruhe finden konnte. Zwar schaffte er es, für eine Stunde einzunicken, fühlte sich beim Aufwachen jedoch noch erschöpfter als zuvor. Als er kurz nach zwölf in der Klinik ankam, zog er sich sofort in sein Büro zurück, wo er einige Stunden damit zubrachte, Briefe zu diktieren und die für diese Woche angesetzten Besprechungen und Termine zu verlegen. Ehe er die Klinik verließ, sah er kurz nach dem Zeichner, der in seinem Rollstuhl saß und fest schlief. Wie die Krankenschwester, die Bateman mit der Betreuung des Alten beauftragt hatte, berichtete, hatte er sich seit dem frühen Morgen kaum gerührt. Von neuen Zeichnungen war nichts zu sehen.
Während sich Scott in die Schlange einreihte, die darauf wartete, an Bord zu gehen, merkte er, dass er mehr als angesäuselt war, genau wie die Nutte, und ihre hartnäckigen Annäherungsversuche jetzt seltsamerweise als schmeichelhaft empfand. Immer noch winkte und zwinkerte sie ihm von ihrem Hocker an der benachbarten offenen Bar aus zu.
Was für ein anhängliches Straßenhündchen, dachte Scott, musste kichern und winkte zurück. Inzwischen hatte er die grässliche Angst, die ihn letzte Nacht gepackt hatte, fast vergessen. Allerdings nagte trotz der Erschöpfung und der milden, vom Alkohol verursachten Euphorie irgendetwas an ihm, beschäftigte sein Unterbewusstsein. Es war irgendein Detail, das er nicht richtig fassen konnte, das ihm immer wieder entglitt. Irgendetwas passte nicht zusammen, fügte sich nicht recht ins Bild. Es hatte mit den Zeichnungen des Alten zu tun: Irgendetwas daran war widersinnig, ohne dass er es hätte benennen können, aber es war eindeutig in den Bildern enthalten.
Während Scott wartete, wurde ihm vage bewusst, dass er die Arbeiten des Alten mit sich herumschleppte: Sie lagen zusammengefaltet in der Seitentasche seiner TWA-Flugtasche. Es kam ihm so vor, als könne er sie darin spüren - wie ein Gewicht, gerade so schwer, dass die Trageriemen der Tasche unangenehm in seine Schulter schnitten.
»Ihre Bordkarte, bitte. Ihre Bordkarte, Sir?!«
»Was ...?«
Ohne es zu merken, war Scott bis zur Spitze der Warteschlange aufgerückt. Jetzt sah er sich einer gereizten Stewardess aus Puerto Rico in adretter blauer Uniform gegenüber, die ungeduldig die behandschuhten Finger ausstreckte. Der Passagier vor Scott war bereits ans Ende der Zugangsrampe gelangt und bog gerade um die Ecke.
Die Leute hinter Scott murmelten aufgebracht.
Er reichte der Stewardess die Bordkarte.
»Am Ende der Rampe links halten«, erklärte sie. »Sollen wir Ihnen helfen, Sir?«
»Nein, ddd... danke.«
Meine Güte, so betrunken war er doch gar nicht ... Oder doch?
Vorsichtig machte sich Scott auf den Weg. Beim Blick durch die lange, halb durchsichtige Seitenwand der Rampe fiel ihm die konisch geformte Spitze des Flugzeugs auf, die mit einem großen, roten Punkt markiert war. Er musste dabei an eine riesige Brust denken - die wogende, Männer verschlingende Brust in Woody Allens Film
Wie angewiesen, wandte sich Scott am Ende der Rampe nach links. Vom Rollfeld her drang kühle Luft herüber, die nach Treibstoff stank. Er spürte, wie sie an seinem Haar zauste und den Schweiß auf seiner Stirn trocknete. Nachdem er ins Flugzeug gestiegen war, zeigte er der Stewardess kurz die Bordkarte und zwängte sich durch den Gang, bis er seinen Sitz gefunden hatte.
»Möchten Sie etwas trinken, Sir?«