»Aber dazu müssen wir erst einmal hier herauskommen«, sagte eine Stimme hinter ihr. Skar sah auf und erkannte Bernec, der lautlos herangetreten war und einen Teil ihrer Unterhaltung mit angehört hatte. Er lächelte flüchtig, ließ sich neben Coar auf den Boden sinken und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich war mit Behren ein Stück weit in der Höhle«, erklärte er. »Aber es sieht nicht gut aus. Ich fürchte, die Gänge führen alle in die gleiche Richtung. Nach unten.«
»Wenn es nicht anders geht«, sagte Coar, »müssen wir es riskieren. Wenn wir flußaufwärts gehen, müssen wir früher oder später nach Cearn zurückkommen. Es muß eine Verbindung zur Oberfläche geben.«
Bernec lächelte traurig. »Sicher. Aber bis wir sie gefunden haben, sind wir längst verhungert oder den Hogern zum Opfer gefallen. Ich fürchte, wir haben keine andere Wahl, als es noch einmal dort oben zu versuchen.« Er senkte den Kopf, starrte niedergeschlagen zu Boden und spielte mit den nackten Zehen im losen Erdreich. »Wir werden schlafen und es anschließend noch einmal versuchen. Wenn Seshars Männer wirklich dort oben auf uns gewartet haben, sind sie jetzt entweder den
Er sah auf, lächelte flüchtig und betrachtete Skar mit einem seltsamen, abschätzenden Blick. »Ohne dich wären wir es auch«, sagte er.
Skar winkte ab. »Vielleicht«, sagte er. »Aber vielleicht wärt ihr ohne mich auch nie in diese Situation geraten. Wir können uns später gegenseitig beglückwünschen oder Vorwürfe machen. Im Moment müssen wir hier heraus, das ist alles.« Er ließ sich auf die Ellbogen zurücksinken und seufzte hörbar. »Ich habe schon fast vergessen, wie Tageslicht aussieht«, murmelte er.
Bernec lachte leise und stand umständlich auf. »Ruh dich aus«, sagte er. »Ich lasse dich wecken, wenn wir aufbrechen. Versuch jetzt zu schlafen. Wir werden morgen unsere Kräfte brauchen.« Er nickte noch einmal, fuhr dann auf dem Absatz herum und ging mit schnellen Schritten zum Feuer zurück. Seine Gestalt verschmolz mit den dunklen Schatten der anderen.
Skar starrte ihm lange und nachdenklich hinterher. Schließlich richtete er sich wieder auf, hob die Hand und berührte Coar scheu am Arm. »Weiß er . . .?« begann er leise.
»Er weiß, wie es zwischen uns steht«, flüsterte Coar. Sie ergriff seine Hand, führte sie an ihre Lippen und küßte sie. »Er weiß es, und es macht ihm nichts aus.«
Plötzlich war ihm ihre Berührung unangenehm. Er zog die Finger zurück und gab ein leises, unglückliches Geräusch von sich. Obwohl er sich Mühe gab, gelang es ihm nicht, ihrem Blick standzuhalten.
»Es ist nicht so, wie du denkst«, erklärte Coar geduldig. »Er duldet es nicht nur, weil er weiß, daß du früher oder später wieder gehen wirst, oder weil er Angst vor dir hätte. Bernec und ich, wir . . . wir haben uns einmal geliebt, und wir sind immer noch gute Freunde, aber das ist alles. Du brauchst nicht zu glauben, daß er dir etwas schenkt.« Sie rückte ein Stück näher und umschlang ihn behutsam mit den Armen, wobei sie sich Mühe gab, nicht an die bandagierten und aufgeschürften Stellen an seinem Körper zu stoßen.
Ein warmes, verlockendes Gefühl stieg in Skar empor. Er versuchte, sich dagegen zu wehren, aber es ging nicht. Trotz des Aberwitzes der Situation, in der sie sich befanden, trotz Bernecs Nähe und der Beinahe-Gewißheit des Todes erregte ihn Coar, vielleicht stärker als jemals zuvor. Vielleicht gerade, weil es so war. Ihre Hände glitten an seinen Schultern empor, tasteten über sein Gesicht und fuhren in einer unendlich zarten Bewegung über seine Lippen.
»Nicht«, flüsterte er. »Nicht . . . hier.«
Er stemmte sich hoch, raffte sein provisorisches Lager zusammen und kroch ein Stück weit in die Dunkelheit hinein.
In dieser Nacht liebten sie sich dreimal, wild und mit intensiver, beinahe wütender Kraft.
Und sie wußten beide, daß es das letzte Mal war. Aber es machte nichts. Es war gut so.
Zum dritten Mal waren sie zum Stolleneingang zurückgekehrt, und die Dunkelheit und die wesenlose, lauernde Schwärze an seinem Ende empfing sie schweigend und drohend wie die beiden Male zuvor. Diesmal war es Bernec gewesen, der hinaufgestiegen und den Sprung zum Stollen gewagt hatte. Weder Del noch Skar besaßen noch die Kraft und Geschmeidigkeit dazu, aber Bernec hatte sich als überraschend geschickter Kletterer erwiesen und auch den wagemutigen Satz über den Abgrund gemeistert. Skar hatte darauf bestanden, als dritter hinaufgezogen zu werden, um ihm und Coar Hilfe zu leisten, aber seine Kräfte waren bereits nach wenigen Augenblicken erlahmt, so daß er sich schließlich überreden ließ, sich auszuruhen und ihnen den Rücken zu decken.
Der Tunnel schien ihm auf unnatürliche Weise still und leblos. Ein leiser, kaum wahrnehmbarer Geruch nach Tod und Verwesung wehte von seinem Ende zu ihnen hinüber, und einmal glaubte Skar ein Geräusch zu hören, das sich aber nicht wiederholte.