Читаем Die Kinder der Nibelungen полностью

»Ich werde euch zu den Lichtalben, den Lios-alfar, bringen. Die werden euch diese eine Nacht vor den Swart-alfar schützen. Am Morgen werden sie euch wieder in eure Welt geleiten.«

»Lichtalben? Schwarzalben? Was geht hier eigentlich vor?«, wollte Gunhild wissen.

»Die Lichtalben und Schwarzalben bekriegen sich hier in der Anderswelt seit einer Ewigkeit. Hier in diesen Höhlen tobt der Kampf schon seit vielen hundert Jahren. Keine Seite konnte bisher die Oberhand gewinnen.«

»Die Guten und die Bösen, was?«, meinte Gunhild.

»Was ist Gut, was ist Böse? Das sind zwei Seiten einer Münze. Wer kann schon sagen, welche Seite davon die richtige ist. Der Unterschied liegt im Geist des Betrachters. Die Schwarzalben sind Ymirs Brut, mit denen sollte man so wenig wie möglich zu schaffen haben«, schloss der Graue.

»Wer ist Ymir?«, fragte Gunhild.

Der Alte lehnte sich auf seinen Stab. Dann begann er mit seltsam rhythmischer Stimme zu sprechen:

»Urzeit war's, / da Ymir herrschte;

Nicht war Sand noch See, / noch Salzwogen,

Nicht Erde unten / noch oben Himmel,

Gähnender Abgrund / und Gras nirgends ...«

Er verstummte, sah die Kinder an, bannte sie mit seinem funkelnden Auge.

»Ich will euch erzählen, wie die Zwerge erschaffen wurden. Hört gut zu, denn so hat sich zugetragen:

Am Anfang war Ginnungagap, der klaffende Abgrund. Dies war eine gewaltige, unbegrenzt große Schlucht, die sich unendlich in jede Richtung hin erstreckte und Platz hatte für eine Milliarde von Universen oder noch mehr. Darüber nachzudenken würde einen schwindlig machen, ja, den Verstand rauben; denn sie hatte keine Länge, keine Breite, kein Oben und kein Unten. Am Anfang gab es nichts in Ginnungagap, das ein menschliches Wesen hätte fassen können. Weder Licht noch Dunkelheit, keine Stille, aber auch keinen Ton - nur ein gähnendes Nichts. Obwohl dieses Nichts so ungeheuer und so gestaltlos war, war es doch nicht leer. Denn in ihm lag das Geheimnis der Schöpfung.

Nach dem Urbeginn wurde aus diesem Nichts ein Etwas, und es bildeten sich zwei gegensätzliche Regionen heraus. Auf der einen Seite war das Reich des Feuers, Muspelheim genannt. Kein gewöhnliches Wesen konnte dort leben, denn das Land stand in Flammen und die Luft ebenfalls. Die Hitze war so groß, dass sie noch in Entfernung von Millionen Meilen alles versengte und verdorrte. An den flammenden Grenzen stand ein Riese Wache; sein Name war Surt, und er hielt in seiner Flammenhand ein loderndes Schwert. Sein Haupt und sein Gesicht bestanden aus geschmolzenem Feuer, sein Haar verschoss in alle Richtungen Lichtstreifen wie Kometen, und beständig flossen Lavaströme seinen ungestalten Körper hinunter. Und es heißt, dass er am Ende der Zeit Flammen und Rauch über die Welt schleudern und alles Lebendige zu Asche verbrennen wird.

Das zweite große Reich am anderen Ende der tiefen Schlucht wurde Nibelheim genannt, eine kalte, öde Wildnis aus Eis, Schnee und gefrierendem Nebel. Mitten in Nibelheim sprudelte und schäumte die mächtige Quelle aller Gewässer, Wergelmir, der brüllende Kessel. Alle Flüsse der Urzeit hatten in ihm seinen Ursprung. Ihre Namen waren furchterregend: Lärmender, Stürmender, Schrecklicher oder Blasenbrodler. Der größte von ihnen war Eliwagar, Eiswellen, und aus ihm quoll giftiger Schaum empor, der zu schwarzem Eis gerann und sich zu Zacken und Bergen übereinander türmte, bis der gesamte nördliche Bereich von ihnen erfüllt war.

Irgendwann einmal, das war klar, mussten sich die Reiche von Feuer und Eis in der gähnenden Leere begegnen. Als dies geschah, entstand das erstaunlichste aller Phänomene, das nicht einmal die Götter erklären können: das Leben.

Über die Breite von Ginnungagap bildete sich aus einem Gebräu von giftigen, siedendem Lehm und Eis die Gestalt eines Riesen heraus: sein Kopf, seine Arme, sein Leib und seine schlammbedeckten Beine. Seine Abkömmlinge, die Reifriesen, gaben ihm später den Namen Orgelmir, was Schmutzsieder bedeutet; andere aber nannten ihn Ymir.

Перейти на страницу:

Похожие книги