Читаем Die Kinder der Nibelungen полностью

Gunhild legte den Zeigefinger auf die Lippen und bedeutete Hagen zu schweigen. Auch Hagen musste einsehen, das der Graue misstrauisch werden würde, wenn sie weiter hinter seinem Rücken tuschelten, und denken, die Kinder hätten etwas vor ihm zu verbergen. Und Hagen war es schließlich, der den Ring unter Verschluss halten wollte.

Also sagte er nichts mehr, doch das hinderte ihn nicht daran, Siggi finstere Blicke zuzuwerfen. Aber der ignorierte ihn einfach.

Gunhild verstand nicht, was Siggi damit bezweckte, aber für sie war es klar, sich vor ihren Bruder zu stellen. Nur, darüber reden würden sie noch. Die Gelegenheit würde kommen.

Die Geschwister wechselten einen Seitenblick, den auch Hagen bemerkte. Seine Miene wurde noch finsterer. Das sollten Freunde sein? Das ließ jemand wie er nicht mit sich machen! Siggi und Gunhild, die er für seine Freunde gehalten hatte, wollten ihn hintergehen. Aber er war auf der Hut und würde im richtigen Moment zuschlagen und sich zurückholen, was ihm gehörte. Das schwor er sich.

Der Gang, dem sie folgten, wurde mal enger, dann verbreiterte er sich wieder zu einer Kammer oder sogar zu einem saalgroßen Raum. Immer wieder kamen sie an Abzweigungen, Kreuzungen und Gabelungen vorbei. Das fahle Licht war allgegenwärtig, manchmal stärker, dann wieder schwächer, und an einigen, wenigen Stellen ließ es fast völlig nach.

Die Kinder waren so mit sich selbst beschäftigt, dass sie gar nicht mitbekamen, dass auch ihr Führer offensichtlich Schwierigkeiten hatte, sich zurechtzufinden. Immer wieder verlangsamte er seinen Schritt, als müsste er erst überlegen, in welche Richtung er sich wenden sollte. Dann ging er wieder sehr schnell.

Irgendwann tauchte Siggi wieder aus seiner Versenkung auf, und begann darauf zu achten, wohin sie gingen. Und allmählich kamen ihm Bedenken. Der Graue wirkte nun manchmal wirklich wie ein alter Mann. Siggi fiel auf, dass längst nicht jede seiner Bewegungen so kraftvoll war, wie es ihm noch in der Kammer erschienen war, wo er dem Grauen das erste Mal von Angesicht zu Angesicht gegenübergestanden hatte.

Für einen kurzen Moment hielt der Graue an einer Gabelung inne. Schwer stützte er sich auf seinen Stab, als könne er nicht mehr weiter. Auch schien er nicht recht zu wissen, ob er sich links oder rechts halten sollte.

»Ihr müsst einen Moment rasten. Ihr seid bestimmt müde«, sagte der Alte, als sorge er sich um seine Schützlinge.

Wieder hatte Siggi das unbestimmte Gefühl, ihrem Retter nicht voll vertrauen zu können. Das erste Mal hatte er es verdrängt, hatte nicht auf seine innere Stimme hören wollen. Das war, als der Graue die Bemerkung über die Geschichte gemacht hatte, die er noch mal ändern zu können hoffte ...

Er war nun froh über Hagens Entscheidung, den Ring geheim zu halten. Und bevor Siggi nicht absolut sicher wusste, ob er dem geheimnisvollen Fremden vertrauen konnte oder nicht, würde er nichts von dem Ring sagen.

»Es muss schwierig sein, sich hier zurechtzufinden«, meinte Gunhild, die genug davon hatte, sich nur mit Hagen und dessen Zorn zu befassen. »Und vor allem, wenn man ein Auge verloren hat. Wie ist das passiert? War das im Krieg?« Sie hatte davon gehört, dass in Kriegen solche Dinge passierten.

»Nein«, antwortete der Graue. »Manchmal muss man etwas opfern, wenn man etwas sehr begehrt. Ich habe mein Auge geopfert. Nun sehe ich mit einem Auge nach außen und mit einem Auge nach innen«, fügte er hinzu.

Es klang wie ein Scherz, aber Siggi spürte trotz der Gelassenheit wieder jene uralte Trauer. Lag es daran, dass er sein Begehren und das damit verbundene Opfer bedauerte? Oder war es etwas anderes?

Jedenfalls hoffte Siggi, dass Hagen dem Alten zugehört hatte. Er riskierte einen kurzen Seitenblick, erntete aber nur ein finsteres Stirnrunzeln. Es schien, als sei sein neuer Freund richtig sauer auf ihn, und Siggi war dankbar, dass seine Schwester in der Nähe war. Sollte Hagen handgreiflich werden, konnte sie schlichten und ihm zur Seite stehen.

»Dann bist du bestimmt einer der Mächtigen in der Anderswelt«, schmeichelte Gunhild ihm und lächelte dabei.

»Nein«, entgegnete der Graue und Siggi hörte neben Trauer nun auch Bitterkeit aus den Worten des Alten. »Das war einmal. Aber dann zerbrach mein Speer, und mit ihm zerbrach meine Macht und mein Einfluss.«

Gunhild verstand überhaupt nichts mehr. Auch sie hatte den Unterton in der Stimme des Alten vernommen, aber sie wusste ihn nicht zu deuten, geschweige denn, was der Graue mit diesen Worten meinte. Aber sie hatte wohl in einer noch nicht verheilten Wunde gerührt und verzichtete darauf, weiter zu fragen. Sie wollte dem Mann nicht wehtun, und irgendwie tat er ihr leid. Gerade an dieser Gabelung war das Licht gedämpfter und noch fahler. Der graue Mann sah bei dieser Beleuchtung wirklich alt und gramgebeugt aus.

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