Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Humboldt verbeugte sich vor den zwei nackten Frauen und wußte nicht, wo er hinsehen sollte. Die Ruderer befestigten Stoffplanen an den Bäumen und kauerten sich darunter.

Don Ignacio fragte, ob sie noch etwas brauchten.

Im Moment nicht, sagte Humboldt erschöpft.

Keiner seiner Gäste, sagte Don Ignacio, werde je Mangel leiden. Würdevoll drehte er sich um und ging davon. Der Regen perlte über seinen Kopf und seine Schultern. Es roch nach Blüten, feuchter Erde und Dung.

Manchmal, sagte Bonpland nachdenklich, komme es ihm schier rätselhaft vor, daß er hier sei. Unendlich weit von daheim, von niemandem losgeschickt, bloß eines Preußen wegen, den er im Treppenhaus getroffen habe.

Humboldt fand lange keinen Schlaf. Die Ruderer hörten nicht auf, einander wirre Geschichten zuzuflüstern, die sich in seinem Bewußtsein festsetzten. Und jedesmal, wenn er es doch schaffte, die fliegenden Häuser, bedrohlichen Schlangenfrauen und Kämpfe um Leben und Tod beiseite zu schieben, sah er die Augen des Jaguars. Aufmerksam, klug und ohne Gnade. Dann kam er zu sich und hörte wieder den Regen, die Männer und das ängstliche Knurren des Hundes. Irgendwann kam Bonpland, wickelte sich in seine Decke und schlief sofort ein. Humboldt hatte ihn nicht weggehen hören.

Am nächsten Morgen, die Sonne stand hoch am Himmel, und es schien nie geregnet zu haben, verabschiedete Don Ignacio sie mit der Geste eines Schloßbesitzers. Sie seien hier immer willkommen! Seine Frau machte einen höfischen Knicks, seine Tochter strich Bonpland über den Arm. Der legte ihr die Hand auf die Schulter und zupfte eine Haarsträhne aus ihrem Gesicht.

Der Wind war heiß, als käme er aus einem Ofen. Der Uferbewuchs wurde dichter. Unter den Bäumen lagen weiße Schildkröteneier, Eidechsen klammerten sich wie hölzerne Verzierungen an den Bootsrumpf. Immer wieder strichen Spiegelungen von Vögeln übers Wasser, selbst wenn der Himmel leer war.

Ein wundersames optisches Phänomen, sagte Humboldt.

Das habe nichts mit Optik zu tun, sagte Mario. Vögel stürben unablässig, in jedem Moment, eigentlich täten sie wenig anderes. Ihre Geister lebten in den Spiegelungen fort. Irgendwo müßten sie ja hin, im Himmel wolle man sie nicht.

Und die Insekten, fragte Bonpland.

Die stürben gar nicht. Das eben sei das Problem.

Tatsächlich kamen immer mehr Moskitos. Sie kamen aus den Bäumen, der Luft und dem Wasser. Von allen Seiten kamen sie, füllten sirrend die Luft, stachen, saugten, und für jeden, den man erschlug, gab es Hunderte mehr. Ihre Gesichter bluteten ständig. Selbst dicke Tücher, über den Kopf geworfen, brachten keine Erleichterung, die Tiere stachen einfach durch den Stoff.

Der Fluß, sagte Julio, dulde keine Menschen. Bevor Aguirre sich hierhin aufgemacht habe, sei er bei Verstand gewesen. Erst hier sei es ihm eingefallen, sich zum Imperator zu erklären.

Ein verrückter Mörder, sagte Bonpland, der erste Erforscher des Orinoko! Das ergebe Sinn.

Dieser traurige Mann habe gar nichts erforscht, sagte Humboldt. Ebensowenig erforsche ein Vogel die Luft oder ein Fisch das Wasser.

Oder ein Deutscher den Humor, sagte Bonpland.

Humboldt sah ihn mit gerunzelten Brauen an.

Nur ein Witz, sagte Bonpland.

Aber ein ungerechter. Ein Preuße könne sehr wohl lachen. In Preußen werde viel gelacht. Man solle nur an die Romane von Wieland denken oder die vortrefflichen Komödien von Gryphius. Auch Herder wisse einen guten Scherz wohl zu setzen.

Daran zweifle er nicht, sagte Bonpland müde.

Dann sei es ja gut, sagte Humboldt und kraulte das von den Insektenstichen blutige Fell des Hundes.

Sie fuhren in den Orinoko ein. Der Strom war so breit, daß man glauben konnte, auf dem Meer zu treiben: Weit in der Ferne, wie eine Täuschung, zeichneten sich die Wälder des anderen Ufers ab. Hier gab es kaum noch Wasservögel. Der Himmel schien vor Hitze zu flimmern.

Nach einigen Stunden entdeckte Humboldt, daß sich Flöhe in die Haut seiner Zehen gegraben hatten. Sie mußten die Fahrt unterbrechen; Bonpland ordnete Pflanzen, Humboldt saß im Klappstuhl, die Füße in einer Essigwanne, und zeichnete Karten des Stromverlaufs. Pulex penetrans der gewöhnliche Sandfloh. Er werde ihn beschreiben, aber nicht einmal im Tagebuch werde er andeuten, daß er selbst befallen worden sei.

Daran sei doch nichts Schlimmes, sagte Bonpland.

Er habe, sagte Humboldt, viel über die Regeln des Ruhmes nachgedacht. Einen Mann, von dem bekannt sei, daß unter seinen Zehennägeln Flöhe gelebt hätten, nehme keiner mehr ernst. Ganz gleich, was er sonst geleistet habe.

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