Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Am Tag darauf passierte ein Mißgeschick. An einer besonders breiten Stelle, beide Ufer waren nicht zu sehen, drehte der Wind das Segel gegen die Fahrtrichtung, das Boot neigte sich, eine Welle schwappte herein, schon trieben Dutzende Blätter Papier im Fluß. Das Boot neigte sich stärker, so daß das Wasser bis zu ihren Knien stieg, der Hund jaulte, die Männer wollten von Bord. Humboldt sprang auf, löste blitzschnell den Gürtel mit dem Chronometer und rief mit Offiziersstimme, keiner solle sich rühren. Die Strömung ließ das Boot trudeln, das Segel flappte nutzlos hin und her, die grauen Rücken mehrerer Krokodile näherten sich.

Bonpland machte sich erbötig, zum Ufer zu schwimmen und Hilfe zu holen.

Es gebe keine Hilfe, sagte Humboldt, während er den Gürtel über den Kopf hielt. Falls es jemandem nicht aufgefallen sei, dies sei der Urwald. Man könne nur warten.

Und wirklich: Im letzten Moment griff der Wind ins Segel, und das Boot richtete sich langsam wieder auf.

Leerschöpfen, brüllte Humboldt.

Aufeinander schimpfend arbeiteten die Ruderer mit Töpfen, Mützen und Trinkbechern. Nach kurzem lag das Boot wieder gerade. Papierblätter, getrocknete Pflanzen, Schreibfedern und Bücher schwammen im Fluß. In der Ferne, als hätte er es eilig wegzukommen, trieb ein Zylinder davon.

Manchmal bezweifle er, sagte Bonpland, ob er je heimkommen werde.

Das sei nur realistisch, antwortete Humboldt und überprüfte, ob die Uhren beschädigt waren.

Sie kamen zu den berüchtigten Katarakten. Der Fluß war voller Felsen, das Wasser schäumte so stark, daß es zu kochen schien. Es war unmöglich, mit dem beladenen Boot weiterzufahren. Die Jesuiten der örtlichen Mission, schwer bewaffnet, vierschrötig und Soldaten ähnlicher als Priestern, empfingen sie mißtrauisch. Humboldt suchte den Missionsleiter auf, einen dürren Mann mit fiebergelbem Gesicht, und zeigte seinen Paß.

Gut, sagte Pater Zea. Er rief einen Befehl aus dem Fenster, kurz darauf brachten sechs Geistliche zwei Eingeborene herein. Diese verdienstvollen Männer, sagte Pater Zea, welche die Katarakte kennen würden wie keine anderen, hätten sich freiwillig gemeldet, ein geeignetes Boot durch die Stromschnellen zu bringen. Die Gäste sollten warten, bis das Boot weiter unten bereitstehe, dann könnten sie weiterfahren. Er machte eine Handbewegung, seine Leute führten die beiden Eingeborenen hinaus und legten ihnen Fußfesseln an.

Er sei sehr dankbar, sagte Humboldt vorsichtig. Aber billigen könne er das nicht.

Ach woher, rief Pater Zea, das habe nichts zu bedeuten und liege nur an der Unberechenbarkeit dieser Menschen. Sie meldeten sich freiwillig, und dann könne man sie plötzlich nicht mehr finden. Auch sähen sie sich alle so ähnlich!

Das Boot für ihre Weiterfahrt wurde herbeigetragen. Es war so schmal, daß sie hintereinander und auf den Kisten mit ihren Instrumenten würden sitzen müssen.

Lieber einen Monat in der Hölle, sagte Bonpland, als das!

Er werde beides bekommen, versprach Pater Zea. Die Hölle und das Boot.

Am Abend servierte man ihnen das erste gute Essen seit Wochen und sogar spanischen Wein. Durch das Fenster hörten sie die durcheinanderredenden Stimmen der Ruderer, die sich über den Verlauf einer Geschichte nicht einigen konnten.

Er habe den Eindruck, sagte Humboldt, hier werde ununterbrochen erzählt. Wozu dieses ständige Herleiern erfundener Lebensläufe, in denen noch nicht einmal eine Lehre stecke?

Man habe alles versucht, sagte Pater Zea. Erfundene Geschichten aufzuschreiben sei in allen Kolonien verboten. Aber die Leute seien hartnäckig, und auch die heilige Macht der Kirche kenne Grenzen. Es liege am Land. Er frage sich, ob der Baron noch dem berühmten La Condamine begegnet sei.

Humboldt schüttelte den Kopf.

Er schon, sagte Bonpland. Ein alter Mann, der sich im Palais Royal mit den Kellnern gestritten habe.

Genau der, sagte der Pater. Hier gebe es noch den ei-nen oder anderen Greis, der sich an ihn erinnere. Auch eine Frau, die vom Pulver eines schlechten Medizinmannes altere, ohne sterben zu können, ein furchtbarer Anblick übrigens. Ihre Geschichten seien hörenswert. Ob er es erzählen dürfe?

Humboldt seufzte.

Damals, sagte Pater Zea, habe die Akademie ihre drei besten Vermesser geschickt, La Condamine, Bouguer und Godin, um die Meridianlänge des Äquators festzustellen. Man habe, aus ästhetischen Gründen vor allem, Newtons unschöne These widerlegen wollen, daß die Erde sich durch Rotation abplatte, Pater Zea sah ein paar Sekunden konzentriert auf den Tisch. Ein riesiges Insekt landete auf seiner Stirn. Instinktiv streckte Bonpland die Hand aus, stockte und zog sie wieder zurück.

Den Äquator messen, fuhr Pater Zea fort. Also eine Linie ziehen, wo nie eine gewesen sei. Ob sie sich dort draußen umgesehen hätten? Linien gebe es woanders. Mit seinem knochigen Arm zeigte er auf das Fenster, das Gestrüpp, die von Insekten umschwärmten Pflanzen. Nicht hier!

Linien gebe es überall, sagte Humboldt. Sie seien eine Abstraktion. Wo Raum an sich sei, seien Linien.

Raum an sich sei anderswo, sagte Pater Zea.

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