Читаем Die Vermessung der Welt полностью

Wisse er auch nicht, sagte Humboldt, aber so oder so, was könne man tun als weitergehen?

Als sie zum ersten Mal wieder Bäume, Sümpfe und Gras sahen, wußten sie nicht mehr, wie lange ihr Aufbruch her war. Es fiel Humboldt schwer, seine zwei Chronometer abzulesen, er war nicht mehr an die Zeit gewöhnt. Hütten tauchten auf, Menschen kamen ihnen entgegen, und erst als sie mehrfach nach dem Datum gefragt hatten, konnten sie glauben, daß sie nur zwei Wochen unterwegs gewesen waren.

In Calabozo trafen sie einen alten Mann, der noch nie das Dorf verlassen hatte. Trotzdem besaß er ein Laboratorium: Gläser und Flaschen, metallene Meßgeräte für Erdbeben, Feuchtigkeit in der Luft und Magnetismus. Auch eine primitive Maschine, deren Zeiger ausschlugen, wenn man in ihrer Nähe log oder dummes Zeug redete. Und einen Apparat, welcher klickend und summend, zwischen Dutzenden gegeneinander rotierenden Rädchen, helle Funken erzeugte. Diese rätselhafte Kraft habe er entdeckt, rief der Alte. Das mache ihn zum großen Forscher!

Zweifellos, antwortete Humboldt, aber –

Bonpland stieß ihn in die Seite. Der Alte drehte die Kurbel fester, die Funken knisterten immer lauter, die Spannung war so stark, daß sich ihre Haare aufstellten.

Beeindruckend, sagte Humboldt, aber das Phänomen nenne sich Galvanismus und sei in der ganzen Welt bekannt. Er selbst habe etwas dabei, was gleiche Wirkungen erzeuge, wenn auch viel stärker. Er zeigte die Leydener Flasche und wie man sie mit einem Fell rieb, um haarfein verästelte Blitze entstehen zu lassen.

Der Alte kratzte sich schweigend am Kinn.

Humboldt klopfte ihm auf die Schulter und wünschte viel Glück weiterhin. Bonpland wollte dem Alten Geld zustecken, aber der nahm nichts an.

Das habe er ja nicht wissen können, sagte er. Man sei so weit weg von allem.

Natürlich, sagte Bonpland.

Der Alte schneuzte sich und wiederholte, das habe er nicht wissen können. Bis sie außer Sichtweite waren, sahen sie ihn vornüber gebeugt vor seinem Haus stehen und ihnen nachblicken.

Sie kamen an einen Teich. Bonpland zog sich aus, stieg hinein, zögerte, stöhnte und sank der Länge nach um. Im Wasser lebten elektrische Aale.

Drei Tage später schrieb Humboldt mit tauber Hand die Ergebnisse ihrer Untersuchung nieder. Die Tiere konnten Schläge auch ohne Berührung verteilen. Der Schlag erzeugte keine Funken, keine Anzeige auf dem Elektrometer, auch keine Abweichung der Magnetnadel, kurz, er war an nichts zu erkennen als am Schmerz, den er zufügte. Faßte man den Aal mit beiden Händen oder hielt ihn in der einen Hand und in der anderen ein Stück Metall, so verstärkte sich die Wirkung. Ebenso, wenn zwei Menschen einander an den Händen faßten und nur einer von ihnen das Tier berührte. In diesem Fall fühlten beide den Schlag im gleichen Moment, mit gleicher Stärke. Nur die Vorderseite des Aals war gefährlich, die Aale selbst waren gegen die eigenen Entladungen immun. Und er war ungeheuerlich, der Schmerz; so stark, daß man nicht begriff, was mit einem vorging. Er kleidete sich ganz in Taubheit, Verwirrung und Schwindel, wurde einem erst mit Verzögerung bewußt und in der Erinnerung immer stärker; er kam einem vor wie etwas, das mehr der Außenwelt als dem eigenen Körper angehörte.

Zufrieden reisten sie weiter. Was für ein Glücksfall, sagte Humboldt immer wieder, welch ein Geschenk! Bonpland hinkte, seine Hände waren gefühllos. Noch Tage danach tanzten Funken durch Humboldts Blickfeld, wenn er die Augen schloß. Lange blieben seine Knie so steif wie die eines alten Mannes.

Im hohen Gras fanden sie ein ohnmächtiges Mäd-chen, wohl dreizehn Jahre alt, in zerrissener Kleidung. Bonpland träufelte ihr Medizin in den Mund, sie spuckte, hustete und begann zu schreien. Während er beruhigend auf sie einredete, ging Humboldt ungeduldig auf und ab. Starr vor Schreck blickte sie zwischen ihnen hin und her. Bonpland strich ihr über den Kopf, sie fing an zu schluchzen. Jemand müsse ihr Furchtbares angetan haben!

Was denn, fragte Humboldt.

Bonpland warf ihm einen langen Blick zu.

Wie auch immer, sagte Humboldt, sie müßten weiter.

Bonpland gab ihr Wasser, sie trank hastig. Essen wollte sie nicht. Er half ihr auf die Füße. Ohne ein Zeichen der Dankbarkeit riß sie sich los und rannte davon.

Vermutlich die Hitze, sagte Humboldt. Kinder verliefen sich und würden ohnmächtig.

Bonpland sah ihn eine Weile an. Ja, sagte er dann. Vermutlich.

In der Stadt San Fernando verkauften sie ihre Maultiere und erstanden ein breites Segelboot mit einem Holzverschlag, Lebensmittel für einen Monat und zuverlässige Gewehre. Humboldt erkundigte sich nach Leuten, die Erfahrung mit dem Fluß hatten. Man wies ihn zu vier vor einer Schenke sitzenden Männern. Einer trug einen Zylinder, einem klemmte ein Schilfrohr im Mundwinkel, einer war behängt mit Unmengen von Messingschmuck, der vierte war bleich und arrogant und sprach kein einziges Wort.

Humboldt fragte, ob sie den Kanal zwischen Orinoko und Amazonas kennen würden.

Natürlich, sagte der mit dem Zylinder.

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