Doch war der Vater am 22. Juni 1941, als der Krieg mit Deutschland ausbrach, schon in der Roten Armee, als Militäringenieur. Noch am Vorabend der Krieges gegen Finnland wurde er einberufen und an die Westgrenze zum Bau von Flugplätzen und Flugstützpunkten geschickt.
Schitomir wurde inzwischen fast schon am ersten Kriegstag bombardiert. Die Mutter packte voller Panik Ihre Söhne und eilte zu ihren Eltern nach Kiew. Dort gab es eigene Panik, Kiew wurde auch reichlich bombardiert. Sich evakuieren zu lassen wurde fast unmöglich, ihnen half vielleicht die Stadtkommandatur, die Familien der an der Front kämpfenden Rotarmisten unterstützte. Schließlich bestiegen alle Berditschevskij's einen Güterzug, der sie unter ständigen Luftangriffen nach Osten in tiefen Hinterland transportierte, weg von Babij Jar. Auf dem Weg dorthin blieb die Mutter auf der Suche nach heißem Wasser vom Zug zurück, aber danach schaffte sie irgendwie ihren Zug wieder zu finden. Die Freude war grenzlos.
Der zweijährige Junge konnte sich natürlich nicht an alle Einzelheiten der Flucht und des Erlebten erinnern. Die Berditschevskij's und die Leschinskij's (Großmutter und Großvater mit Tante) wurden nach Alma-Ata evakuiert und von dort in die Kleinstadt Kaskelen weiterbefördert. Die Gegend selbst war sehr schön, in der Ferne schimmerten die schneebedeckten Gipfel des Alatau.
Hier, in Kaskelen wurden sie in der Familie eines kasachischen Milizionärs untergebracht, der sie praktisch rettete. Es gab auf seinem Hof allein stehendes Provisorium, eine Lehmhütte jedoch mit Ofen! Man konnte in ihr überwintern. Und dazu bekam man dort ein sogenanntes Attestat von Vater, ein Teil seines Gesamtgehaltes.
Betont werden muss es, dass auch die übrigen ansässigen Kasachen sie freundlich aufnahmen und sie sogar mit Obst und Gemüse versorgen. Von Antisemitismus keine Spur.
Einmal fiel Edik unglücklicherweise beim Vorbeigehen in einen Aryk (Abflussgraben) und brach sich das Bein. Im Feldlazarett, wo sich viele an der Front Verwundete befanden, heilte man die Bruchstelle. Die Verwundeten kamen zum Jungen, unterhielten sich mit ihm. Der Junge sammelte eine ganze Anzahl von Verwundeten hinterlassen Zigarettenschachteln der Marke «Kasbek». Der Junge dachte sich verschiedene Spiele mit ihnen aus und beschäftigte sich gerne mit diesen Spielen.
In der Zwischenzeit kämpfte der Familienoberhaupt, Hauptmann Berditschevskij, in seinem Ingenieur-Bataillon, ständig an vorderster Front der Jahre 1941/1942. Während der Schlacht um Stalingrad wurde er am Kopf verwundet und ins Hinterland gebracht. Nach seiner Genesung kehrte er an die Front zurück, wo Angriffsoperationen nun wesentlich günstiger verliefen als Rückzugsgefechte.
Nach der Befreiung von Warschau und anderer polnischer Gebiete wurde er in Polen aufgehalten, wo auch der Krieg für ihn zu Ende ging. Seine Armeeeinheit wurde zu polnischen Streitkräften abkommandiert. Sie halfen bei der Räumung von Minen und anderen Aufgaben der Pioniereinheiten.
Anfang 1946 wurde die englische Königin «ausgezeichnet». Sie schenkte allen sowjetischen Offizieren, die mit der polnischen Armee zusammengearbeitet hatten, ein großes Stück Kleidungsstoff aus hochwertigem Stoff «Boston». Dieses Stück war das einzige, was der Vater von der Front nach Hause mitbrachte.
Als man den Kiewern die Rückkehr in ihre Heimatstadt gestattete, kehrten die Berditschevskij's und Leschinskij's in die stark zerstörte Stadt zurück. Ihre Haus und Wohnung wurden glücklicherweise unversehrt geblieben, aber dort lebten jetzt die andere Bewohner. Einer der Neumieter pochte arrogant nicht nur auf sein Bleiberecht, sondern auch auf seine physische Stärke gegenüber zwei alten Männern, zwei Frauen und zwei Kindern (Der Mann war in der Besatzungszeit als Polizei aktiv). Und die Mutter konnte ihn gegenüber nichts tun. Als jedoch der Vater aus der Armee zurückkehrte, wurde der Mann sanft und kleinlaut, bis er dann für immer ausquartiert wurde.
Der Vater, ein Armeebauingenieur, kehrte in das verwahrloste Kiew zurück, wo buchstäblich alles wiederaufgebaut werden musste, angefangen von der Kanalisation (Toiletten befanden sich auf dem Hof, wie zuvor im Dorf) bis zur Stromversorgung. Es mangelte nicht nur an einfachen Arbeitskräften, sondern auch an qualifizierten Spezialisten. Er fand schnell eine interessante Tätigkeit auf dem Gebiet der Energiewirtschaft, zuerst als Bauingenieur, dann als Abteilungsleiter.
Die Mutter starb leider bald – zu Beginn des Jahres 1949. Sie schaffte es noch ihre beiden Söhne, den 7-jährigen Edik und den 11-jährigen Leonid, der in Kaskelen zur Schule nicht gehen konnte, gleichzeitig einzuschulen. Aus dem königlichen Stoff «Boston» wurden beiden Kindern ausgezeichnete Hosen geschneidert.