»Ein Mann wie der Chef von Sharps & Gund hat Anwälte, die diese Vorladung langwierig und schwierig machen werden.« Pendergast blätterte eine Seite weiter in der einzigen Zeitschrift, die im Wartebereich auslag. D’Agosta sah, dass es sich um
Seufzend rollte D’Agosta die
Sie warteten nicht eine halbe, sondern eine Dreiviertelstunde. Schließlich erschien ein kleiner, hagerer Brooklyn-Typ mit Vollbart, Hipstermütze und schwarzem Seidenhemd, der sie zum Chef bringen sollte. Sie schritten durch mehrere, zunehmend elegante und dezente Büroräume, bis sie schließlich zu Jonathan Ingmar vorgelassen wurden. Dessen Büro war weiß gestrichen und sparsam möbliert, und bis auf ein altmodisches Telefon, das auf einem hektargroßen Schreibtisch stand, schien es darin keinerlei elektronischen Geräte zu geben. Ingmar war ein schlanker, etwa fünfzigjähriger Mann mit jungenhaften Gesichtszügen und einem unordentlichen Schopf blonder Haare. Er zog eine geradezu beleidigend fröhliche Miene.
Inzwischen war D’Agosta fuchsteufelswild und bemühte sich, seine Wut zu beherrschen. Es ärgerte ihn maßlos, dass Pendergast derart locker drauf war, so wenig genervt von der Wartezeit zu sein schien.
»Entschuldigen Sie bitte, meine Herren«, sagte der Geschäftsführer von Sharps & Gund und wedelte mit seiner wunderschön manikürten Hand, »aber es war ein anstrengender Tag.« Er sah auf die Uhr. »Ich habe fünf Minuten Zeit für Sie.«
D’Agosta schaltete sein Diktafon ein und stellte es auf den Tisch, zückte seinen Notizblock und klappte ihn auf. »Wir benötigen eine Liste aller früheren und aktuellen Mitarbeiter, die mit dem Kunden Cantucci zu tun hatten.«
»Es tut mir leid, Lieutenant, aber unsere Personalakten sind vertraulich.«
»Dann besorgen wir uns eben einen Durchsuchungsbeschluss.«
Ingmar breitete die Arme aus. »Wenn Sie einen solchen Beschluss erwirken können, halte ich mich natürlich daran.«
»Schauen Sie, Mr. Ingmar, es steht fest, dass der Mord an Cantucci von Insidern verübt wurde – geplant und ausgeführt von jemandem, der für Ihre Firma gearbeitet und Zugang zu Ihrem Quellcode hatte. Wir werden gar nicht froh darüber sein, wenn Sie unsere Arbeit behindern.«
»Das sind reine Spekulationen, Lieutenant. Ich habe meinen Laden fest im Griff. Meine Mitarbeiter werden wie angehende CIA-Agenten durchleuchtet, wenn nicht genauer. Ich kann Ihnen versichern, Sie befinden sich auf dem Holzweg. Sie verstehen doch sicher, dass eine Sicherheitsfirma wie die unsere mit Informationen über ihre Mitarbeiter sehr achtsam umgehen muss, oder?«
D’Agosta gefiel der Ton des Mannes gar nicht. »Okay, Ingmar, Sie wollen es also auf die harte Tour. Wenn Sie nicht sofort kooperieren, besorgen wir uns eine gerichtliche Anordnung, beschlagnahmen Ihre Personalakten, zurückreichend bis zur Geburt George Washingtons, und schleppen Sie aufs Präsidium, um Sie dort zu verhören.«
Er hielt inne, schwer atmend. Ingmar sah ihn kühl an. »Wie Sie wünschen. Ihre fünf Minuten sind um, meine Herren. Tun Sie sich keinen Zwang an. Mr. Blount wird Sie nach draußen begleiten.«
Der eifrige Hipster erschien, doch jetzt wandte sich Pendergast, der sich nicht geäußert und nicht einmal Interesse an dem Gespräch gezeigt hatte, an D’Agosta. »Dürfte ich mal Ihre Ausgabe der
D’Agosta reichte sie ihm und fragte sich, was zum Teufel Pendergast vorhatte. Der entrollte die Zeitung vor Ingmar und hielt sie ihm unter die Nase. »Sie haben heute doch sicher schon die
Ingmar griff angewidert nach der Zeitung, warf einen kurzen Blick darauf, legte sie beiseite.
»Aber Sie haben nicht Bryce Harrimans Titelgeschichte gelesen?«
»Nicht interessiert. Blount, schaffen Sie sie raus.«
»Sie sollten sie aber lesen, denn die morgige Titelseite wird Ihre Firma zeigen – und Sie.«
Kühles Schweigen. Nach einem Augenblick sagte Ingmar: »Drohen Sie mir damit, Informationen an die Presse durchzustechen?«
»Durchstechen? Überhaupt nicht. Das richtige Wort lautet
»Was meinen Sie damit?«
»In dem Leitartikel über das Verbrechen geht es darum, dass der Mörder bei Ihrem Unternehmen angestellt war. Ihrem Unternehmen. Das macht Sie selbst zu einer Person des öffentlichen Interesses. Finden Sie den Ausdruck ›Person öffentlichen Interesses‹ nicht auch großartig? So voller dunkler Andeutungen, so voller undurchsichtiger Hinweise – ohne dass er tatsächlich irgendetwas ausdrückt.«