Der Rest seiner Worte ging in einem keuchenden Schmerzensschrei unter, als Steel seinen Griff warnungslos verstärkte. Ruby wehrte sich verzweifelt, aber ich wusste, wie sinnlos das war. Schließlich hatte ich mehr als einmal am eigenen Leib zu spüren bekommen, wie unvorstellbar stark ein Mensch war, der von einem Ganglion übernommen worden ist. Ohne die geringste Mühe zog Steel den Mann vollends zu sich heran, drückte seinen Kopf zurück und presste ihm gleichzeitig die Kehle zu.
»So, Jack Ruby ist nicht bereit«, zischte er. »Gut. Dann müssen wir dafür sorgen, dass er es ist. Vielleicht sind wir ja noch zu schwach in ihm!«
Ich ahnte, was kam. Trotzdem musste ich mich mit aller Kraft beherrschen, um nicht vor Schrecken und Ekel laut aufzuschreien. Steel zwang Rubys Kopf mit brutaler Kraft immer weiter in den Nacken. Gleichzeitig näherten sich Steels Lippen seiner Kehle, als wolle er sie ihm einfach durchbeißen. Aber das tat er nicht. Stattdessen drückte er Rubys Kopf plötzlich wieder nach vorne und verstärkte den Druck auf den Adamsapfel des Mannes noch weiter, bis Ruby mit einem halberstickten Keuchen den Mund öffnete und nach Luft zu schnappen versuchte.
Etwas Dünnes, sich Windendes schoss zwischen Steels Lippen hervor und verschwand schnell wie eine zustoßende Schlange in Rubys Mund. Es ging zu schnell, um es genau zu erkennen, aber ich wusste natürlich, was es war: ein Ganglion, die gleiche Art von parasitärem Monster, die auch für Steels Handlungen verantwortlich war – und die für kurze Zeit auch von Kim Besitz ergriffen hatte.
Ruby schrie. Er bekam immer noch nicht genug Luft, so dass eher ein schwächliches Blubbern daraus wurde, aber das machte den Laut noch schrecklicher. Sein Körper bäumte sich in Steels Griff auf und für eine Sekunde, vielleicht weniger, huschte ein Ausdruck unbeschreiblicher Qual über sein Gesicht.
Dann erschlaffte er.
Steel ließ von seinem Opfer ab, trat mit einem erschöpften Seufzen zurück und musterte Ruby mit einer Mischung aus Nachdenklichkeit und Spott. »Sehen Sie, Jack«, sagte er. »So schlimm war es doch gar nicht, oder?«
Ruby schwieg. Er
Steel wartete einige Sekunden lang vergeblich auf eine Antwort. Dann schüttelte er den Kopf, drehte sich langsam herum und trat abermals an den Radioempfänger, um die Lautstärke mit einem Ruck aufzudrehen. Aus dem Empfänger drang jedoch keine Musik oder die Stimme eines Nachrichtensprechers, sondern eine Folge unheimlicher, an– und abschwellender Laute; etwas, das man zwanzig Jahre später als elektronisches Pfeifen bezeichnet hätte, mir damals jedoch vollkommen fremd war. Steel hörte einige Sekunden lang zu, zuckte dann mit den Schultern und drehte behutsam an der Sendereinstellung.
Aus dem Pfeifen und Heulen wurden...
Die Stimme aus dem Radio antwortete; auf die gleiche unheimliche Art und Weise, aber viel flüssiger und schneller. Vielleicht waren Steels menschliche Sprechorgane einfach nicht dazu in der Lage, Worte einwandfrei in einer Sprache zu modulieren, die nicht für Menschen gemacht war. Nach einigen Sekunden kam auch Ruby näher; mit langsamen, marionettenhaft wirkenden Bewegungen und leeren Augen. Seine Lippen begannen die gleichen unheimlichen Laute zu formen, die auch Steel aus sich herauspresste und die aus dem Radio drangen.
Der unheimliche Dialog hielt weiter an, aber ich hatte nicht die Kraft, ihm noch länger zu folgen. Lautlos und zitternd bewegte ich mich einige Schritte von dem Fenster weg, dann wandte ich mich um und rannte regelrecht aus dem Haus. Und diesmal war es mir egal, ob ich Aufsehen erregte oder nicht.
23. November 1963, 23:30
Wir verbrachten das, was von dieser Nacht noch übrig war, in einem Motel in der Nähe des Flughafens. Es wurde eine unruhige, qualvolle Nacht. Kimberley hatte Albträume und am Ende saß ich bis zum Morgen neben ihr auf dem Bett, um sie wachzurütteln und zu beruhigen, sobald sie wieder zu wimmern begann.