Ich hätte aber wahrscheinlich ohnehin keinen Schlaf gefunden. Das Feuerzeug auf dem Nachttisch, die Waffe, die ich die ganze Nacht in der Hand hielt, der Gedanke an Steel und Bach, all das hätte mich wach gehalten, wenn es die Sorge um Kim nicht getan hätte. Stetig wanderte mein Blick zwischen Kims bleichem Gesicht und den abgedunkelten Fenstern hin und her. Es war eine stickige Nacht, so heiß, wie Sommernächte in Texas eben werden konnten. Ich spürte den Schweiß auf meiner Stirn wie einen dünnen, lebendigen Belag, aber mein Mund war trocken, trotz des abgestandenen Wassers, dass ich in unregelmäßigen Abständen aus dem Zahnputzbecher trank.
Ich hatte in meinem an billigen Unterkünften nicht gerade armen Leben noch nie eine solche Absteige wie dieses Motel gesehen. Die Bettlaken waren so steif, als habe jemand sie für ein Totenbett stärken wollen, die Matratze war ein Brett, aber klamm wie Sumpfgras, und die in Brauntönen längsgestreifte, vergilbte Tapete erzählte ihre eigene Geschichte in zahllosen mehr oder minder großen Flecken teils erkennbarer, teils undefinierbarer Herkunft. Ich hatte die Tür zum Bad offen gelassen, da sich dort der einzige funktionierende Ventilator befand. Die Klimaanlage neben dem Bett war nicht weniger laut als der alte Traktor, den mein Vater noch letztes Jahr gefahren hatte, aber eine merkliche Abkühlung hatte sie nicht zu Stande gebracht. Der infernalische Lärm hatte Kim und mich so eingeschüchtert, dass ich das Gerät rasch wieder abgeschaltet hatte. Es war mir so vorgekommen, als brülle die Klimaanlage unsere Anwesenheit in die drückende Nacht hinaus. Wir waren vermutlich nicht allein mit unserer Abneigung aufzufallen. Nur wenige der Zimmer waren belegt, aber keiner der anderen Gäste hatte seine Klimaanlage länger als ein paar Minuten laufen lassen.
Zumindest gab es außer den menschlichen keine anderen Gäste. Im ersten Moment hatte es mich überrascht, aber nachdem ich den durchdringenden Geruch nach Chemikalien im Bad gerochen hatte, wusste ich, warum Schaben und Kakerlaken das Zimmer, und vermutlich das gesamte Motel, fluchtartig verlassen hatten. Solange der Ventilator die Luft bewegte, konnte man den Gestank ertragen, aber bevor ich den schmutzigen Schalter hinter dem Gehäuse gefunden hatte, hatte mich das scharfe Insektizid im Hals gewürgt.
Der anhaltende Durchzug verschaffte mir inzwischen keine Linderung mehr. Zwei Stunden nach Sonnenuntergang schien die in den Mauern und dem flachen, teerbeschichteten Dach gespeicherte Hitze durch die Tapete nach innen zu sickern und sich in den Zimmern auszubreiten wie eine unsichtbare, zähe Masse. Das bloße Dasitzen verursachte mir Schweißausbrüche. Auf dem Nachttisch stand ein Plastikkübel mit Eis aus dem Automaten vor dem Büro, inzwischen zu zwei Dritteln mit Schmelzwasser gefüllt. Hin und wieder nahm ich einen Eiswürfel, um mir damit Gesicht und Hals zu kühlen, und einmal lutschte ich versuchsweise einen Eisklumpen auf, um meine trockene Kehle anzufeuchten. Die Kälte kontrastierte fast schmerzhaft mit der lähmenden Hitze um uns herum. Nach ein paar Stunden schien es, als sei die Zeit stehen geblieben. Nur der dunkle Umriss des breiten Stundenzeigers, der immer wieder andere Teile des im gespenstischen Radiumlicht leuchtenden Zifferblattes auf unserem kleinen Reisewecker überdeckte, bewies mir, dass ich noch wach und bei Verstand war. Meine Gedanken, die zunächst noch dahingerast waren, einander verfolgend und sich dabei überschlagend, waren zu einem fast völligen Stillstand gekommen. Im Grunde waren es nur mehr immer wieder dieselben Namen, die einander folgten wie die Töne einer hypnotisch langsamen Melodie... Bach, Steel, Kennedy, Ruby, Oswald, Bach... Eine schwere, tragende Melodie, wie die eines Trauermarsches, und immer wieder dazwischen der Name Kim, wie ein heller Glockenton, der die dunklen Töne für einen Augenblick in den Hintergrund drängte. Irgendwo auf der Welt, so hatte ich gelesen, gab es Mönche, die den ganzen Tag lang immer wieder dasselbe Wort wiederholten, als Teil ihrer Meditation. Was immer sie für ein Wort für ihre Gebete gewählt hatten, für mich erfüllte in dieser Nacht ein Name denselben Zweck.