Читаем Narziss und Goldmund / Нарцисс и Гольдмунд. Книга для чтения на немецком языке полностью

Wunderlich blickte dieser veränderte, fremde Goldmund seinem jungen Gehilfen in die Augen. Er machte kein Aufhebens von seiner Rückkehr, er tat, als käme er nur aus dem Nebenzimmer und sei eben noch dagewesen. Er gab die Hand und sagte nichts, keinen Gruß, keine Frage, keine Erzählung. Er sagte nur »Ich muss schlafen«, furchtbar müde schien er zu sein. Er schickte Erich fort und ging in seine Kammer neben der Werkstatt. Da zog er die Mütze ab und ließ sie fallen, zog die Schuhe aus und trat gegen die Bettstatt. Hinten im Raume sah er unter Tüchern seine Madonna stehen, er nickte ihr zu, aber er ging nicht, die Tücher abzunehmen und sie zu begrüßen. Statt dessen schlich er ans Fensterchen, sah draußen den betretenen Erich warten und rief ihm zu »Erich, du brauchst niemand zu sagen, dass ich gekommen bin. Ich bin sehr müde. Es hat Zeit bis morgen.«

Dann legte er sich in den Kleidern aufs Bett. Nach einiger Zeit, da er noch keinen Schlaf gefunden hatte, stand er auf, ging schwerfällig zur Wand, wo ein kleiner Spiegel hing, und schaute hinein. Aufmerksam blickte er den Goldmund an, der ihm aus dem Spiegel entgegensah einen müden Goldmund, einen müd und alt und welk gewordenen Mann, mit stark grau gewordenem Bart. Es war ein alter, etwas verwahrloster Mann, der ihm aus der kleinen trüben Spiegelfläche entgegenblickte, ein wohlbekanntes Gesicht, aber ein fremd gewordenes, es schien nicht recht gegenwärtig zu sein, es schien ihn wenig anzugehen. Es erinnerte ihn an dies und jenes Gesicht, das er gekannt hatte, ein wenig an den Meister Niklaus, ein wenig an den alten Ritter, der ihm einst ein Pagenkleid hatte machen lassen, ein wenig auch an den heiligen Jakob in der Kirche, an den alten bärtigen Sankt Jakob, der unter seinem Pilgerhut so uralt und grau und doch eigentlich heiter und gut aussah.

Mit Sorgfalt las er in dem Spiegelgesicht, als sei ihm daran gelegen, über diesen fremden Menschen Auskunft zu bekommen. Er nickte ihm zu und kannte es wieder ja, es war er selber, es entsprach dem Gefühl, das er von sich selber hatte. Ein sehr müder und etwas stumpf gewordener alter Mann war da von der Reise zurückgekommen, ein unscheinbarer Mann, es war mit ihm kein Staat zu machen[123], und doch hatte er nichts gegen ihn, und doch gefiel er ihm: er hatte etwas im Gesicht, was der frühere hübsche Goldmund nicht gehabt hatte, in aller Müdigkeit und Zerfallenheit einen Zug von Zufriedenheit oder doch von Gleichmut. Er lachte leise vor sich hin und sah das Spiegelbild mitlachen: einen schönen Kerl hatte er da von der Reise mit nach Hause gebracht! Schön zerschlissen und abgebrannt kam er da von seinem kleinen Ausritt wieder heim, und nicht nur sein Ross und seine Reisetasche und seine Taler hatte er eingebüßt, es war ihm auch anderes abhanden gekommen und hatte ihn verlassen: die Jugend, die Gesundheit, das Selbstvertrauen, das Rot im Gesicht und die Kraft im Blick. Dennoch gefiel ihm das Bild: dieser alte schwache Kerl im Spiegel war ihm lieber als der Goldmund, der er so lang gewesen war. Er war älter, schwächer, kläglicher, aber er war harmloser, er war zufriedener, es war besser mit ihm auszukommen. Er lachte und zog eins der faltig gewordenen Augenlider herunter.

Dann legte er sich wieder aufs Bett und schlief nun ein.

Andern Tages saß er in seiner Kammer über den Tisch gebückt und versuchte ein wenig zu zeichnen, da kam Narziss, ihn zu besuchen. In der Tür blieb er stehen und sagte: »Man hat mir erzählt, du seiest zurückgekommen. Gott sei Dank, meine Freude ist groß. Da du mich nicht aufgesucht hast, komme ich zu dir. Störe ich dich in der Arbeit?«

Er kam näher, Goldmund richtete sich von seinem Papier auf und streckte ihm die Hand entgegen. Obwohl Erich ihn vorbereitet hatte, erschrak er bis ins Herz über den Anblick seines Freundes. Der lächelte ihm freundlich entgegen.

»Ja, ich bin wieder da. Sei gegrüßt, Narziss, wir haben uns eine Weile nicht gesehen. Entschuldige, dass ich dich noch nicht besucht habe.«

Narziss sah ihm in die Augen. Auch er sah nicht nur die Erloschenheit und jämmerliche Welke dieses Gesichts, er sah auch das andere, diesen wunderlich angenehmen Zug von Gleichmut, ja Gleichgültigkeit, von Ergebung und guter Greisenlaune. Im Lesen von Menschengesichtern erfahren, sah er auch, dass dieser so fremd gewordene und veränderte Goldmund nicht mehr ganz gegenwärtig sei, dass entweder seine Seele sich weit von der Wirklichkeit entfernt habe und auf Traumwegen gehe oder dass sie schon bei der Pforte stehe, die ins Jenseits führt.

»Bist du krank?« fragte er behutsam.

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