Читаем Narziss und Goldmund / Нарцисс и Гольдмунд. Книга для чтения на немецком языке полностью

Die erste Bresche schlug Narziss, als er das Erlebnis zu erforschen suchte, das ihm damals den erschütterten Knaben in einer schwachen Stunde zugetrieben hatte. Die Erforschung war weniger schwierig, als er gedacht hatte. Längst fühlte Goldmund das Bedürfnis, das Erlebnis jener Nacht zu beichten; doch gab es niemanden außer dem Abt, zu dem er genug Vertrauen fühlte, und der Abt war nicht sein Beichtvater. Als nun Narziss in einer Stunde, die ihm günstig schien, den Freund an jenen ersten Beginn ihres Bundes erinnerte und sachte an das Geheimnis rührte, sagte der ohne Umschweife: »Es ist schade, dass du die Weihen noch nicht hast[20] und noch nicht Beichte hören kannst; gern hätte ich mich von jener Sache in der Beichte befreit und gern dafür eine Strafe abgebüßt. Aber meinem Beichtvater konnte ich sie nicht sagen.«

Vorsichtig, listig grub Narziss weiter, die Fährte war gefunden[21]. »Du erinnerst dich«, probierte er, »an jenen Morgen, wo du krank zu sein schienst; du hast ihn nicht vergessen, denn damals sind wir ja Freunde geworden. Ich habe oft daran denken müssen. Vielleicht hast du es nicht beachtet, aber ich war damals recht hilflos.«

»Du hilflos!?« rief der Freund ungläubig. »Aber der Hilflose war ja ich! Ich war es doch, der dastand und schluckte und kein Wort herausbrachte und schließlich wie ein Kind zu weinen anfing! Pfui, ich schäme mich noch heute dieser Stunde; ich glaubte, ich würde dir nie mehr vor die Augen treten können. Dass du mich so jämmerlich schwach gesehen hast!«

Tastend drang Narziss vor.

»Ich verstehe«, sagte er, »dass dir das unangenehm war. Ein so fester und tapferer Kerl wie du, und vor einem Fremden weinen, gar noch vor einem Lehrer, das passte in der Tat nicht zu dir. Nun, damals hielt ich dich eben für krank. Wenn das Fieber ihn schüttelt, mag auch ein Aristoteles[22] sich sonderbar benehmen. Aber dann warst du ja gar nicht krank! Es war ja gar kein Fieber! Und das ist es, wessen du dich schämtest. Niemand schämt sich, einem Fieber zu unterliegen, nicht wahr? Du schämtest dich, weil du etwas anderem erlegen warst, weil da etwas dich überwältigt hatte. War denn etwas Besonderes geschehen?«

Goldmund zögerte ein wenig, dann sagte er langsam: »Ja, es war etwas Besonderes geschehen. Lass mich annehmen, du seiest mein Beichtvater; es muss ja doch einmal gesagt sein.«

Mit gesenktem Kopf erzählte er dem Freunde die Geschichte jener Nacht.

Lächelnd sagte darauf Narziss: »Nun ja, das »Ins Dorf gehen« ist in der Tat verboten. Aber man kann vieles Verbotene tun und kann darüber lachen, oder man kann es beichten, und es ist erledigt und geht einen nichts mehr an. Warum solltest du denn nicht auch einmal, wie fast jeder Schüler, diese kleinen Torheiten begehen? Ist denn das so schlimm?«

Ohne Hemmung, zornig brach nun Goldmund los: »Du sprichst wirklich wie ein Schullehrer! Du weißt ja genau, um was es sich handelt! Natürlich sehe ich keine große Sünde darin, einmal den Hausregeln ein Schnippchen zu schlagen[23] und einen Schülerstreich mitzumachen, obwohl auch das ja nicht gerade zu den Vorübungen des Klosterlebens gehört.«

»Halt!« rief Narziss scharf. »Weißt du nicht, Freund, dass für viele fromme Väter gerade diese Vorübungen nötig waren? Weißt du nicht, dass einer der kürzesten Wege zum Leben eines Heiligen das Leben des Wüstlings sein kann?«

»Ach, rede nicht!« wehrte Goldmund ab. »Ich wollte sagen: nicht das bisschen Ungehorsam war es, das mein Gewissen belud. Es war etwas anderes. Es war das Mädchen. Es war ein Gefühl, das ich dir nicht schildern kann! Ein Gefühl, dass, wenn ich dieser Verlockung nachgäbe, wenn ich auch nur die Hand ausstreckte, um das Mädchen anzurühren, ich niemals mehr zurück könne, dass mich dann die Sünde wie ein Höllenschlund einschlucken und nie mehr herausgeben werde. Dass es dann mit allen schönen Träumen, mit aller Tugend, mit aller Liebe zu Gott und dem Guten ein Ende hätte.«

Narziss nickte, sehr nachdenklich.

»Die Liebe zu Gott«, sagte er langsam, die Worte suchend, »ist nicht immer eins mit der Liebe zum Guten. Ach, wenn es so einfach wäre! Was gut ist, wissen wir, es steht in den Geboten. Aber Gott ist nicht nur in den Geboten, du, sie sind nur der kleinste Teil von ihm. Du kannst bei den Geboten stehen und kannst weit von Gott weg sein.«

»Verstehst du mich denn nicht?« klagte Goldmund.

»Gewiss verstehe ich dich. Du fühlst im Weib, im Geschlecht, den Inbegriff alles dessen, was du »Welt« und »Sünde« nennst. Aller anderen Sünden, so scheint es dir, bist du entweder gar nicht fähig oder aber sie würden, wenn du sie begingest, dich doch nicht erdrücken, sie würden sich beichten und gutmachen lassen. Nur die eine Sünde nicht!«

»Jawohl, genau so fühle ich es.«

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