Ich berührte den Goldring an meiner linken Hand, den ich gestern Abend zurückbekommen hatte und der mir nach seiner langen Abwesenheit noch unvertraut war. Womöglich war es ja Franks Ring gewesen, der Frank in meine Träume gerufen hatte. Vielleicht würde ich den Ring heute Abend bei der Hochzeitszeremonie erneut berühren, diesmal absichtlich, und hoffen, dass er irgendwie durch meine Augen sehen konnte, wie glücklich seine Tochter war. Vorerst war er jedenfalls fort, und ich war froh.
Ein leises Geräusch, nicht lauter als die entfernten Vogelrufe, zog durch die Luft. Der kurze Aufschrei eines erwachenden Babys.
Früher hatte ich immer gedacht, dass nicht mehr als zwei Menschen in ein Ehebett gehörten, ganz gleich, unter welchen Umständen. Ich dachte es auch jetzt noch. Doch ein Baby war schwieriger zu verbannen als der Geist eines früheren Geliebten; das Bett von Brianna und Roger musste zwangsläufig drei Leuten Platz bieten.
Die Kante des Zeltleinens hob sich, und Jamies Gesicht erschien. Er sah erregt und alarmiert aus.
»Es ist besser, wenn du aufstehst und dich anziehst, Claire«, sagte er. »Die Soldaten haben am Bach Aufstellung genommen. Wo sind meine Strümpfe?«
Ich fuhr zum Sitzen hoch, und weit unten am Berghang begannen die Trommeln zu dröhnen.
Kalter Nebel lag wie Rauch ringsum in den Mulden; eine Wolke hatte sich auf dem Mount Helicon niedergelassen wie eine Bruthenne auf einem einzelnen Ei, und die Luft war durch und durch feucht. Ich zwinkerte mit verquollenen Augen zu einer unebenen Grasfläche am Bach hinüber, wo eine Abteilung des 67sten Highlandregimentes in ihrer ganzen Pracht Aufstellung genommen hatte und vornehm dem Regen trotzte, während die Trommelwirbel rollten und der Dudelsackbläser des Regiments unter seiner Bärenfellmütze munter drauflosspielte.
Mir war furchtbar kalt, und ich hatte extrem schlechte Laune. Ich war in der Erwartung zu Bett gegangen, beim Erwachen heißen Kaffee und ein nahrhaftes Frühstück vorzufinden, worauf dann zwei Hochzeiten, drei Taufen, zwei Zahnextraktionen, die Entfernung eines entzündeten Zehennagels und andere lustige Formen bodenständigen, gesellschaftlichen Treibens auf dem Programm standen, für die man Whisky brauchte.
Stattdessen war ich von beunruhigenden Träumen geweckt worden, zu Liebesgeplänkel verleitet und dann in den kalten Nieselregen gezerrt worden, mitten in die verflixten
Die Highlander hatten einige Zeit gebraucht, um sich von ihren Lagerstätten zu erheben, und das Gesicht des Dudelsackspielers war puterrot, als er endlich die letzten Töne von »Scotland the Brave« schmetterte und mit einem disharmonischen Quietschen abbrach. Das Echo hallte immer noch vom Berg wider, als Leutnant Archibald Hayes vor seine Männer trat.
Leutnant Hayes’ nasaler Akzent aus Fife war laut und klar, und der Wind kam aus seiner Richtung. Dennoch war ich mir sicher, dass die Leute weiter oben auf dem Berg nur sehr wenig hören konnten. Hier am Fuß des Hanges standen wir jedoch nicht mehr als zwanzig Meter von Hayes entfernt, und ich konnte jedes Wort verstehen, obwohl meine Zähne klapperten.
»
Die Feuchtigkeit hüllte Bäume und Felsen in triefenden Nebel, die Wolken spuckten abwechselnd Hagel und eisigen Regen aus, und ein launischer Wind hatte die Temperatur um fast zehn Grad gesenkt. Mein linkes Schienbein, das kälteempfindlich war, pulsierte an der Stelle, wo ich es mir vor zwei Jahren gebrochen hatte. Ein Mensch mit einem Hang zu Vorzeichen und Metaphern hätte versucht sein können, Vergleiche zwischen dem scheußlichen Wetter und der Verkündung der Proklamation des Gouverneurs zu ziehen, dachte ich – die Aussichten waren ähnlich kühl und Unheil verheißend.