ACHTER TEIL
Kapitel 89
Die Jupitermonde
Zum vierten Mal in ebenso vielen Minuten sagte sich Roger, dass es medizinisch unmöglich war, an sexueller Frustration zu sterben. Es bezweifelte sogar, dass sie langfristige Schäden hervorrufen würde. Andererseits war sie auch nicht besonders wohltuend, auch wenn er sich Mühe gab, sie als Übung für seinen Charakter zu betrachten.
Er ließ sich vorsichtig auf den Rücken zurücksinken, damit die Matratze nicht raschelte, und starrte zur Decke. Das nützte auch nichts; durch einen Riss in der Fensterbespannung fiel die frühe Morgensonne auf das Bett, und aus dem Augenwinkel konnte er das Gesäß seiner Frau wie von einem goldenen Scheinwerfer erleuchtet sehen.
Sie lag auf dem Bauch, das Gesicht in ihrem Kissen vergraben, und das leinene Betttuch war ihr über die Pobacken gerutscht, so dass sie vom Nacken bis zur Pofalte entblößt dalag. Sie lag so dicht neben ihm in dem engen Bett, dass sein Bein das ihre berührte und die Wärme ihres Atems ihm über die nackte Schulter strich. Sein Mund war trocken.
Er schloss die Augen. Auch das half nicht; prompt hatte er die Bilder der vergangenen Nacht vor sich: Brianna im gedämpften Licht eines glimmenden Feuers, die Flammen ihres Haars, die im Dunklen aufblitzten, das Licht, das unvermittelt auf der Rundung ihrer nackten Brust aufschimmerte, als sie sich das weiche Leinen von den Schultern gleiten ließ.
Trotz der späten Stunde und seiner Müdigkeit hatte er sie heftig begehrt. Doch es hatte noch jemanden gegeben, der sie heftiger begehrte. Er öffnete sein Augenlid einen Spaltbreit und erhob sich so weit, dass er über Briannas verworrene Locken hinweg zu der Stelle blicken konnte, wo die Wiege im Dunklen an der Wand stand. Keine Anzeichen einer Bewegung.
Sie hatten eine grundsätzliche Abmachung. Er war schlagartig hellwach, wenn er gestört wurde, sie war benommen und unbeholfen. Als ihn Sirenengeheul aus der Wiege in einen herzklopfenden Alarmzustand versetzte, war es daher Roger gewesen, der aufstand, das durchnässte, jaulende Bündel aus dem Bettchen hob und sich seinen unmittelbaren hygienischen Bedürfnissen widmete. Als er Jemmy, der inzwischen mit Händen und Füßen nach Nahrung suchte, dann zu seiner Mutter brachte, hatte sich Brianna so weit aufgerappelt, dass sie sich aus ihrem Nachthemd wand, die Arme nach dem Kind ausstreckte und es in der warmen Dunkelheit in die murmelnde, milchige Zuflucht ihres Körpers zog.
Jetzt, da Jemmy älter war, wurde er nachts nur noch selten wach, doch wenn er von Bauchschmerzen oder einem Alptraum geweckt wurde, dauerte es sehr viel länger, ihn wieder zum Einschlafen zu bringen, als früher, als er noch kleiner war. Roger war wieder eingeschlafen, während Brianna Jemmy Trost spendete, doch er erwachte, als sie sich in dem engen Bett umdrehte und ihre Pobacken an seinem Oberschenkel entlangstrichen. Die Maisblätter unter ihnen knisterten laut, als explodierten tausend ferne Feuerwerkskörper in seinem Rücken, und beim Erwachen wurde er sich einer drängenden, beinahe schmerzhaften Erregung bewusst.
Er hatte gespürt, wie sich ihr Hintern an ihn presste, und sich nur mit Mühe davon abgehalten, sich umzudrehen und von hinten über sie herzufallen. Leise Sauggeräusche von der anderen Seite ihres Körpers ließen ihn jedoch davon Abstand nehmen. Jemmy war immer noch bei ihr.
Er hatte still dagelegen und lauschend gebetet, dass sie lange genug wach bleiben würde, um den kleinen Kerl wieder in seine Wiege zu legen; manchmal schliefen sie zusammen ein, Mutter und Kind, und wenn Roger dann morgens erwachte, roch er eine verwirrende Duftmischung aus erwachsener Frau und Babypisse. Und dann war er schließlich trotz seines Ungemachs eingeschlafen – er hatte den ganzen Tag auf dem Berg Bäume gefällt und war erschöpft.
Er atmete sacht ein. Nein, sie hatte ihn zurückgelegt. Kein Geruch mehr in seinem Bett außer Briannas – ein erdiger Geruch nach Frauenhaut und einer schwachen, süßlichen Wolke aus Schweiß und schlüpfriger Bereitwilligkeit.
Sie seufzte im Schlaf, murmelte etwas Unverständliches und drehte den Kopf auf dem Kissen zur anderen Seite. Sie hatte dunkle Ringe unter den Augen; sie war lange aufgewesen, um Marmelade zu machen, und dann hatte der kleine Mist-, das Baby sie zweimal aufgescheucht. Wie konnte er sie da wecken, nur um seine eigenen, niederen Bedürfnisse zu befriedigen.
Wie konnte er es
Er knirschte mit den Zähnen, hin- und hergerissen zwischen Versuchung, Mitgefühl und der sicheren Überzeugung, dass er in dem Fall, dass er seinen Neigungen nachgab, exakt bis zum schlimmstmöglichen Augenblick kommen würde, bevor ihn eine Einmischung aus der Richtung der Wiege zum Innehalten zwang.