Jamie behielt das Blatt noch einen Moment in der Hand, dann legte er es ganz sanft hin. Er saß da, den Kopf gesenkt und auf seine Hand gestützt, so dass ich sein Gesicht nicht sehen konnte. Seine Finger waren in seinem Haar vergraben und bewegten sich, massierten seine Stirn, während er langsam den Kopf hin und her schüttelte. Ich konnte hören, wie er Luft holte und ihm dann und wann der Atem stockte.
Schließlich ließ er die Hand sinken und sah mich blinzelnd an. Sein Gesicht war tief errötet, Tränen standen ihm in den Augen, und seine Miene war eine absolut bemerkenswerte Mischung aus Verwirrung, Wut und Lachen, wobei das Lachen ganz knapp die Oberhand zu behalten schien.
»O Gott«, sagte er. Er zog die Nase hoch und wischte sich mit dem Handrücken über die Augen. »O Himmel. Wie zum
»Was denn?« Ich zog ein sauberes Taschentuch aus meinem Mieder und reichte es ihm.
»Mir das Gefühl zu geben, als wäre ich acht Jahre alt«, sagte er reumütig. »Und ein Idiot dazu.«
Er wischte sich die Nase ab und streckte dann die Hand aus, um sanft die flach gedrückten Rosen zu berühren.
Ich war hocherfreut über Jennys Brief und wusste, dass sein Eintreffen Jamies Herz beträchtlich erleichtert hatte. Gleichzeitig war ich aber nach wie vor ausgesprochen neugierig über den Zwischenfall, den sie zu beschreiben begonnen hatte – und ich wusste, dass Jamie sich noch stärker dafür interessierte, auch wenn er es vermied, es zu erwähnen.
Etwa eine Woche später traf ein Brief von seinem Schwager Ian ein, doch dieser enthielt zwar die üblichen Nachrichten aus Lallybroch und Broch Mordha, erwähnte jedoch Jennys Abenteuer in der Nähe von Balriggan sowie ihre darauf folgende Entdeckung in der Weinlaube mit keinem Wort.
»Du könntest nicht vielleicht einen von ihnen danach fragen?«, schlug ich zögernd vor, während ich auf dem Zaun hockte und ihm bei den Vorbereitungen für die Kastration eines Ferkelwurfes zusah. »Ian oder Jenny?«
»Nein, das könnte ich nicht«, erwiderte Jamie mit Nachdruck. »Außerdem geht es mich schließlich nichts an, oder? Mag ja sein, dass die Frau einmal meine Frau gewesen ist, doch jetzt ist sie es mit Sicherheit nicht mehr. Wenn sie beschließt, sich einen Liebhaber zu nehmen, ist das ihre Sache. Wirklich.« Er trat mit dem Fuß auf den Blasebalg, um das kleine Feuer anzufachen, in dem ich mein Kautereisen erhitzte, und zog die Kastrationsschere aus seinem Gürtel. »Welches Ende willst du, Sassenach?«
Ich hatte die Wahl zwischen der großen Wahrscheinlichkeit, gebissen zu werden, während ich den Ferkeln die Schnauze festhielt, und der absoluten Sicherheit, beschissen zu werden, während ich das andere Ende attackierte. Die traurige Wahrheit war, dass Jamie viel stärker war als ich, und er konnte zwar zweifellos ohne Probleme ein Tier kastrieren, doch ich brachte die professionelle Erfahrung mit. Es war daher kein Heldentum, sondern praktisches Denken, das mir meine Entscheidung diktierte, und ich hatte mich auf diese Tätigkeit vorbereitet, indem ich meine schwere Leinenschürze, Holzpantinen und ein ehemaliges, zerlumptes Hemd anzog, das einmal Fergus gehört hatte und vom Schweinestall direkt ins Feuer wandern würde.
»Du hältst sie fest; ich schnipsele.« Ich ließ mich vom Zaun gleiten und ergriff die Schere.
Es folgte ein kurzes, aber lautstarkes Zwischenspiel, an dessen Ende die fünf Ferkel zu einer tröstenden Mahlzeit aus Küchenabfällen davongeschickt wurden, nachdem wir ihre Hinterteile zur Vorbeugung von Entzündungen gut mit einer Mischung aus Teer und Terpentin eingepinselt hatten.
»Was meinst du?«, fragte ich, als ich sah, dass sie sich allem Anschein nach zufrieden über ihr Futter hermachten. »Wenn du ein Schwein wärst, meine ich. Würdest du lieber nach deinem Futter wühlen, aber deine Eier behalten, oder darauf verzichten und dich im Luxus suhlen?« Wir würden diese Schweine im Pferch behalten und sie sorgfältig mit Abfällen füttern, um zartes Fleisch zu bekommen, während wir den Großteil der anderen Schweine normalerweise im Wald freiließen, wo sie sich selbst überlassen blieben.
Jamie schüttelte den Kopf.
»Ich denke, sie können nichts vermissen, was sie nie gehabt haben«, sagte er. »Und Futter haben sie schließlich schon gehabt.« Er beugte sich über den Zaun und sah zu, wie die Ringelschwänzchen vergnügt zu wedeln und zu kreisen begannen, die kleinen Wunden darunter allem Anschein nach vergessen.
»Außerdem«, fügte er zynisch hinzu, »können einem die Eier auch mehr Kummer als Freude bereiten – auch wenn ich trotzdem noch nicht vielen Männern begegnet bin, die sie sich fortwünschten.«
»Nun, ein Priester könnte sie doch als Last empfinden.« Ich hielt das fleckige Hemd vorsichtig von meinem Körper fort, bevor ich es mir über den Kopf zog. »Puh. Es gibt nichts, das schlimmer riecht als Schweinemist – nichts.«
»Was – nicht einmal der Frachtraum eines Sklavenschiffs oder eine verwesende Leiche?«, fragte er lachend. »Eitrige Wunden? Ein Ziegenbock?«
»Schweinemist«, sagte ich bestimmt. »Absolut.«