»Ich bin kein kleines Mädchen, das man beschützen muss, und eine Idiotin bin ich auch nicht. Wenn es einen Grund gibt, warum ich etwas nicht tun soll, dann sag ihn mir, und ich höre zu. Aber du kannst nicht entscheiden, was ich tun und wohin ich gehen soll, ohne mich auch nur zu fragen … das lasse ich mir nicht bieten, und das weißt du verdammt gut.«
Das Boot tat einen Ruck. Unter lautem Blättergeraschel steckte er den Kopf durch den Weidenvorhang und starrte mich wütend an.
»Ich versuche überhaupt nicht, dir vorzuschreiben, wohin du gehen sollst.«
»Du hast entschieden, wohin ich nicht gehen darf, und das ist genauso schlimm!« Die Weidenblätter glitten über seine Schultern, als sich das Boot, von Jamies Heftigkeit herumgestoßen, in Bewegung setzte. Wir drehten uns langsam und kamen unter dem Baum hervor.
Er ragte vor mir auf, so massiv wie die Sägemühle; sein Kopf und seine Schultern verdeckten einen guten Teil der Szenerie hinter ihm. Seine lange, gerade Nase war zwei Zentimeter von meiner entfernt, und er hatte die Augen zusammengekniffen. In diesem Licht erschienen sie fast schwarz, und es war extrem beunruhigend, aus der Nähe in sie hineinzusehen.
Ich blinzelte. Er nicht.
Er hatte mein Handgelenk losgelassen, als er durch den Blättervorhang kam. Jetzt ergriff er meine Oberarme. Ich fühlte die Hitze seiner Hände durch den Stoff. Sie waren sehr groß und sehr hart und brachten mir plötzlich zu Bewusstsein, wie zerbrechlich meine eigenen Knochen im Vergleich dazu waren.
Er hatte mich schon einige Male durchgerüttelt, und ich hatte es gehasst. Für den Fall, dass er jetzt etwas Derartiges im Sinn hatte, schob ich meinen Fuß zwischen seine Beine und bereitete mich darauf vor, ihm mein Knie dorthin zu stoßen, wo es am wirkungsvollsten war.
»Ich hatte unrecht«, sagte er.
In gespannter Erwartung von Gewalt hatte ich tatsächlich schon angesetzt, meinen Fuß hochzureißen, als ich hörte, was er gesagt hatte. Bevor ich innehalten konnte, hatte er die Beine fest zusammengeklemmt und hielt mein Knie zwischen seinen Oberschenkeln fest.
»Ich habe doch gesagt, dass ich unrecht hatte, Sassenach«, wiederholte er, eine Spur von Ungeduld in seiner Stimme. »Hast du mich gehört?«
»Äh … nein«, sagte ich ziemlich verlegen. Ich wackelte versuchsweise mit dem Knie, doch er hielt seine Oberschenkel fest geschlossen.
»Du würdest es nicht eventuell in Erwägung ziehen, mich loszulassen, oder?«, sagte ich höflich. Mein Herz hämmerte immer noch.
»Nein. Wirst du mir jetzt zuhören?«
»Ich denke schon«, sagte ich, immer noch höflich. »Es sieht nicht so aus, als wäre ich im Moment sehr beschäftigt.«
Ich war ihm so nah, dass ich seinen Mund zucken sah. Seine Oberschenkel drückten einen Augenblick lang fester zu, dann entspannten sie sich.
»Das hier ist ein ziemlich törichter Streit, und das weißt du genauso gut wie ich.«
»Nein, das stimmt nicht.« Meine Verärgerung hatte etwas nachgelassen, doch ich hatte nicht vor, ihn einfach so davonkommen zu lassen. »Für dich ist es vielleicht nicht wichtig, aber für mich schon. Es ist nicht töricht. Und das weißt du, sonst würdest du nicht zugeben, dass du im Unrecht bist.«
Diesmal war das Zucken deutlicher. Er holte tief Luft und ließ die Hände von meinen Schultern fallen.
»Also gut. Ich hätte dir vielleicht von Byrnes erzählen sollen, das gebe ich zu. Aber wenn ich es getan hätte, wärst du zu ihm gegangen, selbst wenn ich dir gesagt hätte, dass er Wundstarrkrampf hat – und ich wusste, dass es das war, ich habe es nicht zum ersten Mal gesehen. Du würdest doch selbst dann zu einem Patienten gehen, wenn du nichts tun könntest, oder?«
»Ja. Selbst wenn – ja, ich wäre zu ihm gegangen.«
Es gab wirklich nichts, was ich für Byrnes hätte tun können. Myers’ Anästhetikum hätte bei Tetanus nichts genutzt. Nichts konnte diese Krämpfe erleichtern, es sei denn, man injizierte ein Curarederivat. Ich hätte ihn nur mit meiner Gegenwart trösten können, und es war zweifelhaft, ob er das zu schätzen gewusst hätte – oder es überhaupt bemerkt hätte. Dennoch hätte ich mich verpflichtet gefühlt, es ihm zumindest anzubieten.
»Ich hätte gehen müssen«, sagte ich, schon sanfter. »Ich bin Ärztin. Verstehst du das nicht?«
»Natürlich verstehe ich das«, sagte er schroff. »Glaubst du, ich kenne dich überhaupt nicht, Sassenach?«
Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr er fort:
»Es hat Gerede gegeben über das, was bei der Sägemühle passiert ist – das war zu erwarten, aye? Aber so, wie der Mann dir unter den Händen weggestorben ist – nun, niemand hat bisher direkt gesagt, dass du ihn absichtlich umgebracht hast, aber man kann sehen, dass die Leute es sich denken. Vielleicht nicht einmal, dass du ihn umgebracht hast – aber, dass du auf die Idee gekommen sein könntest, ihn absichtlich sterben zu lassen, um ihn vor dem Galgen zu retten.«
Ich starrte auf meine Hände, die gespreizt auf meinen Knien lagen, fast so blass wie der elfenbeinfarbene Satin darunter.
»Ich bin ja auch auf diese Idee gekommen.«