»Jeder, der fragt, erfährt es sofort. Aber wer dafür zuständig ist –« Sie deutete kopfnickend auf die Mühle. Wir hatten die kleine Tür zu den Wohnräumen offen gelassen; Jamie kam gerade heraus und trug eine in Decken gewickelte Last auf dem Arm.
»Er, schätze ich«, sagte sie.
Campbells Diener war zu ihm gegangen, um ihm mit der Leiche zu helfen. Jamie kniete sich am Rand des Mühlbachs hin und ließ seine Bürde sanft zu Boden gleiten. Ich gab Phaedre die Feldflasche zurück und nickte zum Dank.
»Würdest du die Sachen aus dem Wagen holen?«
Wortlos ging Phaedre die Dinge holen, die ich mitgebracht hatte – eine Decke, einen Eimer, saubere Tücher und ein Gefäß mit Kräutern –, während ich zu Jamie ging.
Er kniete am Wasser und wusch sich die Hände, etwas oberhalb der Stelle, wo die Leiche lag. Es hatte zwar keinen Sinn, mir zur Vorbereitung die Hände zu waschen, doch ich war ein Gewohnheitstier; ich kniete mich neben ihn, tauchte meine Hände ebenfalls ein und spülte die Berührung der klammen Haut im Rauschen des kalten, frischen Wassers davon.
»Ich hatte recht«, sagte ich leise zu ihm. »Es war eine Frau namens Pollyanne; sie ist über Nacht verschwunden.«
Er zog eine Grimasse, rieb seine Handflächen kräftig aneinander und blickte über die Schulter. Campbell stand jetzt bei der Leiche und trug immer noch ein leicht angewidertes Stirnrunzeln im Gesicht.
Jamie blickte finster konzentriert drein und wandte den Blick wieder seinen Händen zu. »Na, das passt ja wie die Faust auf’s Auge, aye?« Er bückte sich und bespritzte sich das Gesicht, dann schüttelte er heftig den Kopf und versprühte dabei Tropfen wie ein nasser Hund. Dann nickte er mir zu, stand auf und trocknete sich mit dem Saum seines fleckigen Plaids das Gesicht ab.
»Kümmere dich um die Kleine, aye, Sassenach?« Dann schritt er zielsicher mit schwingendem Kilt auf Mr. Campbell zu.
Es hatte keinen Zweck, ihre Kleider zu retten, also schnitt ich sie ihr vom Leib. Unbekleidet sah sie so aus, als wäre sie in den Zwanzigern gewesen. Unterernährt, man konnte ihre Rippen zählen, ihre Arme und Beine waren dünn und blass wie geschälte Zweige. Trotzdem war sie überraschend schwer, und da die Totenstarre immer noch anhielt, war sie schwierig zu bewegen. Phaedre und ich kamen dabei heftig ins Schwitzen, und aus dem Knoten in meinem Nacken entwischten Strähnen, die bald an meinen erhitzten Wangen klebten.
Immerhin reduzierte die schwere Arbeit unser Gespräch auf ein Minimum, und ich konnte in Ruhe nachdenken. Nicht, dass meine Gedanken besonders beruhigend gewesen wären.
Eine Frau, die ein Kind abtreiben wollte, würde es in ihrem eigenen Zimmer, in ihrem eigenen Bett tun, wenn sie es allein machte. Es konnte für die Fremde nur einen Grund geben, sich an einen abgelegenen Ort wie diesen zu begeben: sich dort mit der Person zu treffen, die die Arbeit für sie erledigen würde, einer Person, die nicht zu ihr kommen konnte.
Wir mussten nach einer Sklavin im Umfeld der Sägemühle Ausschau halten, hatte ich ihm gesagt, einer Frau, die vielleicht einen Ruf als Hebamme hatte und über die die anderen Frauen redeten, die sie flüsternd weiterempfehlen würden.
Die Tatsache, dass ich wohl recht gehabt hatte, verschaffte mir keine Genugtuung. Die Engelmacherin war geflohen, aus Angst, dass die Frau uns gesagt haben könnte, wer die Tat begangen hatte. Wäre sie geblieben und hätte geschwiegen, hätte Farquard Campbell sich auf meine Aussage verlassen, dass die Frau es selbst gewesen war – konnte er doch kaum das Gegenteil beweisen. Doch wenn jemand anders herausfand, dass die Sklavin Pollyanne entflohen war – und man würde es selbstverständlich herausfinden! –, und sie gefangen und verhört wurde, dann würde die ganze Sache sofort herauskommen. Und was dann?
Ich erschauerte trotz der Hitze. Fand das Gesetz des Blutvergießens in diesem Fall Anwendung? Das sollte es wohl, dachte ich, während ich grimmig noch einen Eimer Wasser über die weißen Glieder schüttete – falls Quantität irgendeine Rolle dabei spielte.
Der Teufel sollte die Frau holen, dachte ich, indem ich das nutzlose Mitleid unter meinem Ärger verbarg. Das Einzige, was ich jetzt noch für sie tun konnte, war, hinter ihr aufzuräumen – im wahrsten Sinne des Wortes. Und vielleicht zu versuchen, ihre Mitspielerin in dieser Tragödie zu retten, die arglose Frau, die ohne böse Absicht einen Mord begangen hatte, wo sie doch nur hatte helfen wollen, und die jetzt vielleicht mit ihrem eigenen Leben für diesen Fehler bezahlen musste.