»Könnt Ihr auch Mohawk sprechen, Mr. Myers?« Ian hatte während dieser Erklärung glühende Ohren bekommen. Ian war von jedem Felsen, Baum und Vogel auf unserer Reise fasziniert, doch noch mehr faszinierte ihn jede Erwähnung von Indianern.
»Ach, ganz gut.« Myers zuckte bescheiden mit den Achseln. »Jeder Händler schnappt hier und da ein paar Worte auf. Kusch, Hund.« Rollo, der seine Nase in Schnüffelweite von Myers’ letzter Forelle geschoben hatte, zuckte bei der Ermahnung mit den Ohren, zog seine Nase aber nicht zurück.
»Dann wollt Ihr Mistress Polly also zu den Tuscarora bringen?«, fragte Jamie, während er einen Maiskuchen in mundgerechte Stücke zerkrümelte.
Myers nickte und kaute vorsichtig; wenn man nur noch so wenige Zähne hatte wie er, stellten sogar frische Maiskuchen ein riskantes Unterfangen dar.
»Aye. Noch vier, fünf Tagesritte«, erklärte er. Er wandte sich an mich und lächelte mir beruhigend zu. »Ich passe auf, dass sie gut aufgenommen wird, Mrs. Claire, macht Euch keine Sorgen um sie.«
»Was wohl die Indianer von ihr denken werden, frage ich mich?«, sagte Ian. Er sah Pollyanne interessiert an. »Ob sie schon einmal eine Schwarze gesehen haben?«
Myers lachte.
»Junge, es gibt viele Tuscarora, die noch nie eine
»Ich glaube aber, dass sie sie für eine Schönheit halten werden, sie mögen ihre Frauen gern schön rund.« Es war einigermaßen offensichtlich, dass Myers diese Bewunderung teilte. Sein Blick wanderte anerkennend und mit einem Hauch unschuldiger Lüsternheit über Pollyanne.
Sie sah das, und es kam eine außergewöhnliche Veränderung über sie. Obwohl sie sich kaum zu bewegen schien, konzentrierte sie sich auf einmal ganz auf Myers. Ihre Augen glänzten im Feuerschein schwarz und unergründlich. Sie war immer noch klein und schwer, doch durch eine ganz leichte Haltungsänderung waren plötzlich ihre ausladenden Brüste und breiten Hüften betont und rundeten sich zu einem Versprechen sinnlicher Fülle.
Myers schluckte hörbar.
Ich wandte den Blick von diesem kleinen Zwischenspiel ab und sah, dass Jamie es ebenfalls beobachtete. Er sah gleichermaßen amüsiert und besorgt aus. Ich stieß ihn unauffällig an und warf ihm einen Blick zu, der mit allem Nachdruck, den ich aufbrachte, »Tu etwas!« sagte.
Er blinzelte.
Ich riss die Augen auf und starrte ihn beschwörend an, was sich mit »Ich weiß nicht, was, aber tu etwas!« übersetzen ließ.
»Mmpf.«
Jamie räusperte sich, beugte sich vor, legte seine Hand auf Myers’ Arm und riss den Bergläufer aus seiner Trance.
»Ich würde mir nicht wünschen, dass die Frau auf irgendeine Weise missbraucht wird«, sagte er höflich, doch er legte einen Hauch von schottischer Anzüglichkeit in das Wort »missbraucht«, der grenzenlose Unanständigkeit andeutete. Er drückte leicht zu. »Werdet Ihr es auf Euch nehmen, für ihre Sicherheit zu garantieren, Mr. Myers?«
Myers warf ihm aus seinen blutunterlaufenen Augen einen verständnislosen Blick zu, doch dann dämmerte es ihm. Der Bergläufer befreite langsam seinen Arm, nahm dann seinen Becher, trank den letzten Schluck Whisky, hustete und wischte sich den Mund ab. Möglich, dass er errötete, doch durch seinen Bart war das nicht zu erkennen.
»O ja. Ich meine, o nein. Nein, wirklich nicht. Bei den Mohawk und den Tuscarora suchen sich die Frauen aus, mit wem sie ins Bett gehen, sogar, wen sie heiraten. Bei ihnen gibt es keine Vergewaltigung. O nein. Nein, Sir; sie wird nicht missbraucht, das kann ich versprechen.«
»Na, da bin ich ja froh, das zu hören.« Jamie lehnte sich beruhigt zurück und warf mir aus den Augenwinkeln einen erbosten »Ich-hoffe-du-bist-zufrieden«-Blick zu. Ich lächelte sittsam.
Ian war zwar noch keine sechzehn, doch er war viel zu aufgeweckt, als dass ihm dieser Wortwechsel entgangen wäre. Er gab ein bedeutsames schottisches Husten von sich.
»Onkel Jamie, Mr. Myers war so freundlich, mich einzuladen, ihn und Mrs. Polly zu begleiten und mir das Indianerdorf anzusehen. Ich sorge bestimmt dafür, dass sie dort gut behandelt wird.«
»Du –« Jamie brach ab. Über das Feuer hinweg warf er seinem Neffen einen langen Blick zu. Ich sah, wie es in seinem Kopf arbeitete.
Ian hatte nicht um Erlaubnis gebeten mitzugehen, sondern hatte uns mitgeteilt, dass er gehen würde. Wenn Jamie es ihm verbot, musste er es begründen – und er konnte kaum sagen, dass es zu gefährlich war, denn damit hätte er nicht nur eingestanden, dass er bereit war, die Sklavin einer Gefahr auszusetzen, sondern auch, dass er Myers und seinen Beziehungen zu den hier ansässigen Indianern nicht traute. Jamie saß in der Falle, und zwar gründlich.
Er atmete kräftig durch die Nase ein. Ian grinste.