Nur einmal dämpfte sich ihre Stimmung: als wir über eine große Lichtung ritten, auf der sich das Grasland in seltsamen, sanft gewellten Hügeln erhob, als läge eine große Schlange darunter begraben. Pollyanne verstummte bei diesem Anblick, und als sie versuchte, ihr Pferd anzutreiben, zog sie stattdessen die Zügel an und brachte es zum Stillstand. Ich ritt zurück, um ihr zu helfen.
»Ist das ein Friedhof?«, fragte ich Myers, der kehrtgemacht hatte, um nachzusehen, warum wir angehalten hatten. Die Hügel waren nicht gleichmäßig angeordnet, sondern erhoben sich am Rand der Lichtung, als wären sie künstlich angelegt. Sie erschienen mir allerdings zu groß für Gräber – es sei denn, es waren Grabhügel, wie sie in grauer Vorzeit in Schottland errichtet worden waren, oder Massengräber, dachte ich und erinnerte mich beklommen an Culloden.
»Friedhof würde ich nicht sagen«, antwortete er und schob seinen Hut zurück. »Das war mal ein Dorf, wahrscheinlich der Tuscarora. Die Erhebungen hier« – er ließ die Hand darüber schweifen – »sind eingestürzte Häuser. Das große da an der Seite dürfte wohl das Langhaus des Häuptlings gewesen sein. Dauert nicht lang, bis da wieder Gras drüber wächst. Aber so, wie es aussieht, ist das hier schon seit einer ganzen Weile überwachsen.«
»Was ist hier geschehen?« Ian und Jamie hatten ebenfalls angehalten und waren umgekehrt, um einen Blick auf die kleine Lichtung zu werfen.
Myers kratzte sich nachdenklich den Bart.
»Kann ich nicht sagen, nicht sicher. Kann sein, dass eine Krankheit sie vertrieben hat, kann sein, dass die Cherokee oder die Creek sie vertrieben haben, obwohl wir uns hier ziemlich weit nördlich von den Cherokee befinden. Wahrscheinlich ist es aber im Krieg passiert.« Er grub kräftig in seinem Bart, verdrehte die Hand und schnippte die Reste einer hartnäckigen Zecke fort. »Kann nicht sagen, dass ich hier freiwillig bleiben würde.«
Da Pollyanne sichtlich derselben Meinung war, ritten wir weiter. Als es Abend wurde, hatten wir die Kiefernwälder des hügeligen Vorlandes hinter uns gelassen. Wir gewannen jetzt ernsthaft an Höhe, und der Baumbestand veränderte sich: kleine Kastanienhaine, weite, mit Eichen und Hickorynussbäumen bestandene Flächen, dazwischen Hartriegel und Dattelpflaumen, Esskastanien und Pappeln – wir waren umgeben von Wellen gefiederten Grüns.
Auch die Luft roch anders und fühlte sich anders an, als wir an Höhe gewannen. Das überwältigende, scharfe Harzaroma der Kiefern wich einer Vielzahl leichterer Gerüche; der Duft von Laub mischte sich mit dem der Sträucher und Blumen, die aus jedem Riss in den schroffen Felsen wuchsen. Es war immer noch feucht und schwül, doch nicht mehr so heiß; die Luft schien nicht länger eine erstickende Decke zu sein, sondern etwas, was wir atmen konnten – mit Vergnügen atmen konnten, denn sie roch nach vermodertem Laub, sonnengewärmten Blättern und feuchtem Moos.
Beim Sonnenuntergang des sechsten Tages waren wir tief im Gebirge, und überall erklang das Gemurmel fließenden Wassers. Bäche durchzogen die Täler, ergossen sich von Bergkämmen und rieselten an steilen Felswänden herab, wo sie einen kunstvollen grünen Vorhang aus Nebel und Moos nach sich zogen. Als wir um den Hang eines steilen Hügels bogen, hielt ich erstaunt an: In einiger Entfernung stürzte ein Wasserfall gut fünfundzwanzig Meter tief in die darunterliegende Schlucht.
»Jetzt seht Euch das bloß an!« Ian stand vor Ehrfurcht der Mund offen.
»Schon ganz nett«, gab Myers mit der selbstgefälligen Überlegenheit eines Grundbesitzers zu. »Nicht die größten Fälle, die ich kenne, aber ganz ordentlich.«
Ian wandte mit großen Augen den Kopf.
»Es gibt noch größere?«
Myers lachte, das leise Lachen eines Bergläufers, kaum mehr als ein Hauch.
»Junge, du hast noch gar nichts gesehen.«
Wir schlugen unser Nachtlager in einer Mulde in der Nähe eines größeren Baches auf – ein Bach, der tief genug für Forellen war. Jamie und Ian wateten mit Begeisterung hinein und rückten den Wasserbewohnern mit biegsamen Weideruten zu Leibe. Ich hoffte, dass sie Glück haben würden; unsere Vorräte an frischen Lebensmitteln gingen zur Neige, obwohl wir immer noch reichlich Maismehl übrig hatten.
Pollyanne kam die Böschung herauf und brachte einen Eimer Wasser mit, um einen neuen Schwung Maiskuchen zu backen, kleine, rechteckige Kekse aus grobem Maismehl für unterwegs. Frisch vom Blech schmeckten sie gut, und am nächsten Tag waren sie zumindest noch essbar. Mit der Zeit wurden sie jedoch immer unappetitlicher, und nach vier Tagen hatten sie größte Ähnlichkeit mit Zementbröckchen. Da sie aber leicht zu transportieren waren und nicht so schnell vergammelten, waren sie, neben getrocknetem Rindfleisch und gepökeltem Schweinefleisch, ein beliebter Reiseproviant.