»Aber Mama – zuerst habe ich versucht, mir vorzumachen, dass sie nur fort ist, quasi verreist. Und dann, als ich das nicht mehr konnte, habe ich versucht zu glauben, dass sie tot ist.« Ihr lief die Nase von ihren Gefühlen, vom Whisky oder vom heißen Tee. Roger griff nach dem Küchenhandtuch, das am Herd hing, und schob es ihr über den Tisch zu.
»Aber das
Sie schluckte den restlichen Inhalt ihrer Tasse herunter, verschluckte sich leicht, bekam dann aber wieder Luft. Sie fixierte Roger aufgebracht aus dunkelblauen Augen, als wäre er an der Situation schuld.
»Deswegen will ich es wissen, klar? Ich will sie finden, beide. Will wissen, ob es ihr gutgeht. Aber ich denke die ganze Zeit, vielleicht will ich es ja
Sie knallte die Tasse vor ihm auf den Tisch.
»Mehr.«
Er öffnete den Mund, um zu sagen, dass sie schon mehr als genug getrunken hatte, doch ein Blick in ihr Gesicht, und er änderte seine Meinung. Er machte den Mund wieder zu und schenkte ein.
Sie wartete nicht ab, bis er Tee hinzufügen konnte, sondern hob die Tasse an den Mund, trank einen großen Schluck und noch einen. Sie hustete und spuckte und stellte die Tasse mit tränenden Augen hin.
»Also bin ich auf der Suche. Oder ich bin es gewesen. Aber als ich Papas Bücher gesehen habe und seine Handschrift … da kam es mir plötzlich alles falsch vor. Meinst du, es ist falsch von mir?«
»Nein, Liebes«, sagte er sanft. »Es ist nicht falsch. Du hast recht, du musst es herausfinden. Ich helfe dir.« Er stand auf, nahm sie unter den Armen und half ihr auf. »Aber jetzt solltest du vielleicht ein Nickerchen machen, hm?«
Er hatte sie schon oben und halbwegs durch den Flur, als sie sich plötzlich losriss und ins Bad sauste. Er lehnte sich draußen an die Wand und wartete geduldig, bis sie wieder herausgestolpert kam. Ihr Gesicht hatte dieselbe Farbe wie der Putz über der alten Vertäfelung.
»Schade um den Glenmorangie«, sagte er, indem er ihr den Arm um die Schultern legte und sie ins Schlafzimmer dirigierte. »Wenn ich gewusst hätte, dass ich es mit einer Säuferin zu tun habe, hätte ich dir den billigen Fusel gegeben.«
Sie plumpste auf das Bett und ließ ihn ihre Schuhe und Strümpfe ausziehen. Sie drehte sich auf den Bauch und drückte Onkel Angus in ihre Armbeuge.
»Ich habe dir doch
Roger arbeitete ein oder zwei Stunden allein; er sortierte Bücher und schnürte Kartons zu. Es war ein stiller, dunkler Nachmittag, und das sanfte Prasseln des Regens und das gelegentliche Zischen der Autoreifen draußen auf der Straße waren die einzigen Geräusche. Als es dämmerte, knipste er die Lampen an und ging durch den Flur in die Küche, um sich den Staub von den Händen zu waschen.
Ein großer Topf milchiger Hühnersuppe blubberte hinten auf dem Herd vor sich hin. Was hatte Fiona darüber gesagt? Aufdrehen? Abdrehen? Irgendetwas hineinwerfen? Er blinzelte skeptisch in den Topf und beschloss, ihn einfach in Ruhe zu lassen.
Er räumte die Überreste ihrer improvisierten Teetafel auf – spülte die Tassen, trocknete sie ab und hängte sie sorgfältig an ihre Haken am Küchenbord. Sie waren die Überbleibsel des alten Services mit dem Weidenmuster, das der Reverend gehabt hatte, seit Roger denken konnte. Die blau-weißen chinesischen Bäume und Pagoden wurden durch einzelne, unpassende Geschirrteile ergänzt, die von Wohltätigkeitsbasaren stammten.
Fiona würde natürlich alles neu kaufen. Sie hatte sie gezwungen, sich Zeitschriftenfotos von Porzellan und Gläsern und Geschirr anzusehen. Brianna hatte angemessene Bewunderungslaute von sich gegeben; Rogers Augen waren vor Langeweile glasig geworden. Er ging davon aus, dass die alten Sachen jetzt alle auf dem Basar landen würden – immerhin würden sie so noch jemandem nutzen.
Einer Eingebung folgend, nahm er die beiden Tassen, die er gespült hatte, wieder herunter, wickelte sie in ein sauberes Küchenhandtuch und trug sie ins Arbeitszimmer, wo er sie in den Karton steckte, den er für sich selbst beiseitegestellt hatte. Er kam sich zwar ziemlich närrisch vor, doch gleichzeitig ging es ihm etwas besser.
Er sah sich in dem hallenden Studierzimmer um, das jetzt völlig kahl war bis auf das einzelne Blatt Papier an der Korkwand.