Doch wir waren einigermaßen sicher vor Versuchungen – ob es uns gefiel oder nicht, wir würden River Run mindestens ein Jahr nicht mehr zu sehen bekommen. Was unser tägliches Brot anging, so hatte es sich bis jetzt so verlässlich wie Manna eingestellt; um diese Jahreszeit gab es reife Nüsse, Früchte und Beeren im Überfluss, und ich sammelte sie so emsig wie ein Eichhörnchen. Ich hoffte jedoch, dass Gott uns auch in zwei Monaten noch hören würde, wenn die Bäume kahl wurden, die Bäche zufroren und der Wind heulte.
Der Regen hatte den Bach merklich anschwellen lassen; das Wasser stand vielleicht dreißig Zentimeter höher als gestern. Ich kniete mich hin und stöhnte leise, als die Steifheit in meinem Rücken nachließ; das Schlafen auf dem Boden verstärkte meine üblichen, leichten Bewegungsprobleme am Morgen. Ich spritzte mir kaltes Wasser ins Gesicht, spülte mir den Mund aus, trank aus meinen Händen und bespritzte mich noch einmal, wobei mir das Blut in Wangen und Fingern prickelte.
Als ich mit triefendem Gesicht aufblickte, sah ich zwei Hirsche, die ein Stück flussaufwärts an einer ruhigen Stelle tranken. Ich verhielt mich ganz ruhig, um sie nicht zu stören, doch sie zeigten sich von meiner Gegenwart nicht beunruhigt. Im Schatten der Birken waren sie von demselben weichen Blau wie die Felsen und Bäume, selbst kaum mehr als Schatten, doch jede Linie ihres Körpers war so fein umrissen wie auf einer japanischen Tuschezeichnung.
Dann waren sie plötzlich fort. Ich kniff die Augen zu, und noch einmal. Ich hatte nicht gesehen, wie sie sich umdrehten oder wegliefen – aber trotz ihrer ätherischen Schönheit war ich sicher, dass ich nicht geträumt hatte, denn ich konnte die dunklen Abdrücke ihrer Hufe im Schlamm am anderen Ufer sehen. Doch sie waren fort.
Ich sah oder hörte nicht das Geringste, doch auf einmal sträubten sich mir die Haare am ganzen Körper, und ein instinktives Prickeln lief mir über Arme und Nacken. Ich erstarrte, nur meine Augen bewegten sich noch. Wo war es, was war es?
Die Sonne war aufgegangen; die Baumwipfel sahen jetzt grün aus, und die Felsen begannen zu leuchten, als sich ihre Farben erwärmten. Doch die Vögel schwiegen, nichts regte sich außer dem Wasser.
Er stand keine zwei Meter von mir entfernt, halb von einem Busch verdeckt. Die Geräusche, die er beim Trinken machte, gingen im Lärmen des Baches unter. Dann hob sich sein breiter Schädel, und sein Ohr drehte sich in meine Richtung, obwohl ich kein Geräusch gemacht hatte. Konnte er mich atmen hören?
Die Sonne hatte ihn erreicht und zu gelbbraunem Leben erweckt; sie glühte in den goldenen Augen, die mit übernatürlicher Ruhe in die meinen starrten. Der Wind hatte sich gedreht, und ich konnte ihn jetzt riechen: ein schwacher, beißender Hauch von Katze und ein stärkerer Blutgeruch. Er ignorierte mich, hob eine dunkel gefleckte Tatze und leckte sie gewissenhaft, die geschlitzten Augen ganz auf die Säuberung konzentriert.
Er rieb sich mehrfach mit der Tatze über das Ohr und reckte sich dann genüsslich im frühen Sonnenlicht – mein Gott, er musste fast zwei Meter lang sein! – und schlenderte dann davon. Sein voller Bauch wackelte dabei hin und her.
Ich hatte mich nicht bewusst gefürchtet, reiner Instinkt hatte mich auf der Stelle erstarren lassen, und schieres Erstaunen – über die Schönheit der Katze wie auch über ihre Nähe – hatte mich in der Erstarrung gehalten. Doch als er ging, taute mein zentrales Nervensystem auf und brach prompt zusammen. Ich zitterte heftig, und es dauerte einige Minuten, bis ich es schaffte, mich zu erheben.
Meine Hände bebten so sehr, dass ich den Kessel dreimal fallen ließ, als ich ihn füllte. Vertrauen, hatte er gesagt, vertraute ich ihm? Ja, das tat ich – und es würde mir unheimlich viel nützen, es sei denn, dass er beim nächsten Mal direkt vor mir stand.
Doch für diesmal – war ich am Leben. Ich stand still da, die Augen geschlossen, und atmete die reine Morgenluft. Ich konnte jedes einzelne Atom meines Körpers spüren, spürte, wie das Blut durch meinen Körper raste, um den ersehnten, frischen Sauerstoff in jede Zelle und Muskelfaser zu tragen. Die Sonne berührte mein Gesicht und wärmte mir die kalte Haut zu einem herrlichen Glühen.
Ich öffnete die Augen, und alles schillerte grün, gelb und blau; der Tag war angebrochen. Alle Vögel sangen jetzt.
Ich ging über den Pfad zur Lichtung hinauf und widerstand dem Impuls, mich umzusehen.
Jamie und Ian hatten tags zuvor ein paar hohe, schlanke Kiefern gefällt, sie in dreieinhalb Meter lange Stücke gesägt und diese mit einiger Kraftanstrengung den Berg hinunterkullern lassen. Jetzt lagen sie am Rand der kleinen Lichtung aufgestapelt, und ihre rauhe Rinde glänzte schwarz vor Feuchtigkeit.