Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

Ich stellte ihm keine weiteren Fragen, flickte ihm nur den Rock und sah zu, dass er heil ins Bett fand, als er nach der Rückzahlung des geliehenen Geldes heimkam. Doch ich saß lange Zeit neben ihm und sah zu, wie sich die Falten der Erschöpfung in seinem Gesicht im Schlaf ein wenig glätteten.

Nur ein wenig. Ich hatte seine Hand hochgehoben, schlaff und schwer im Schlummer, und hatte die tiefen Linien seiner glatten, schwieligen Handfläche wieder und wieder nachgezeichnet. Wie viele Leben lagen jetzt in diesen Furchen?

Mein eigenes. Das seiner Siedler. Fergus’ und Marsalis, die gerade aus Jamaica zurückgekehrt waren und jetzt für Germain aufkommen mussten, einen pausbäckigen, blonden Charmeur, der seinen hingerissenen Vater fest in seiner dicken kleinen Hand hatte.

Bei diesem Gedanken blickte ich unwillkürlich aus dem Fenster. Ian und Jamie hatten ihnen geholfen, ein kleines Blockhaus nur eine Meile von unserem entfernt zu bauen, und manchmal kam Marsali uns abends besuchen und brachte das Baby mit. Es wäre schön, sie jetzt zu sehen, dachte ich sehnsüchtig. Sosehr ich Brianna manchmal vermisste, der kleine Germain war mein Ersatz für das Enkelkind, das ich niemals im Arm halten würde.

Ich seufzte und vertrieb den Gedanken mit einem Achselzucken.

Jamie und Duncan waren mit dem Whisky zurückgekehrt; ich konnte hören, wie sie sich bei der Pferdekoppel unterhielten.

Ihre Stimmen waren locker, und alle Spannung zwischen ihnen war verflogen – für den Augenblick.

Ich breitete die dünne Lage Gerste fertig aus und stellte sie zum Trocknen an eine Ecke der Feuerstelle. Dann ging ich zum Schreibtisch, schraubte das Tintenfass auf und öffnete das Krankenbuch. Es dauerte nicht lange, die Details der Geburt des jüngsten Muellersprösslings festzuhalten; die Wehen hatten lange gedauert, waren ansonsten aber ganz normal gewesen. Die Geburt selbst war komplikationslos verlaufen; das einzig Ungewöhnliche war die Glückshaube des Kindes gewesen …

Ich hielt im Schreiben inne und schüttelte den Kopf. Immer noch abgelenkt von meinen Gedanken an Jamie, hatte ich meine Aufmerksamkeit abschweifen lassen. Petronellas Kind war nicht mit einer Glückshaube geboren worden. Ich erinnerte mich deutlich daran, wie sein Scheitel sichtbar wurde, die Vulva ein glänzender roter Ring, der sich eng um einen kleinen, schwarzbehaarten Fleck schloss. Ich hatte ihn berührt, den winzigen Puls gespürt, der dort schlug, genau unter der Haut. Ich erinnerte mich lebhaft daran, wie sich die feuchten Daunenhaare unter meinen Fingern anfühlten: wie die feuchte Haut eines frisch geschlüpften Kükens.

Es war der Traum, dachte ich. Ich hatte in der Erdgrube geträumt und die Ereignisse der beiden Geburten vermischt – dieser und Briannas. Es war Brianna, die mit einer Glückshaube geboren worden war.

Ein glückliches Vorzeichen, so eine Glückshaube – sagten die Schotten –, sie gewährte im späteren Leben Schutz vor dem Ertrinken. Und manche Kinder, die mit einer Glückshaube geboren wurden, waren mit der Gabe des Zweiten Gesichts gesegnet – obwohl ich mir nach meinen Begegnungen mit solcherart begabten Menschen die Freiheit herausnahm zu bezweifeln, dass diese Fähigkeit ein reiner Segen war.

Ob es ein Glück war oder nicht, Brianna hatte jedenfalls niemals Anzeichen jenes seltsamen keltischen »Wissens« gezeigt, und das war mir nur recht. Ich wusste genug über meine eigene persönliche Form des Zweiten Gesichtes – das sichere Wissen, dass sich Dinge ereignen würden –, um niemandem die damit verbundenen Komplikationen zu wünschen.

Ich blickte auf die Seite vor mir. Ohne es richtig zu merken, hatte ich die groben Umrisse eines Mädchenkopfes gezeichnet. Eine gerundete breite Linie wirbelnden Haars, die bloße Andeutung einer langen, geraden Nase. Darüber hinaus war sie gesichtslos.

Ich war keine Künstlerin. Ich hatte gelernt, klare, klinische Zeichnungen anzufertigen, akkurate Bilder von Gliedmaßen und Körpern, doch mir fehlte Briannas Gabe, die Linien zum Leben zu erwecken. So, wie er da stand, war der Entwurf nicht mehr als eine Gedächtnisstütze; ich konnte ihn ansehen und mir ihr Gesicht in Gedanken ausmalen. Mehr zu versuchen – ihr Gesicht auf dem Papier heraufzubeschwören –, würde bedeuten, das zu ruinieren, zu riskieren, dass ich das Bild verlor, das ich von ihr im Herzen trug.

Und würde ich sie leibhaftig herbeibeschwören, wenn ich es könnte? Nein. Das würde ich nicht tun; ich stellte sie mir tausendmal lieber in der Sicherheit und Bequemlichkeit ihrer eigenen Zeit vor, als sie mir herbeizuwünschen in diese rauhe, gefährliche Zeit. Doch das bedeutete nicht, dass sie mir nicht fehlte.

Zum ersten Mal empfand ich etwas Mitgefühl mit Jocasta Cameron und ihrer Sehnsucht nach einem Erben; jemandem, der zurückblieb und ihren Platz einnahm, der davon zeugte, dass ihr Leben nicht umsonst gewesen war.

Перейти на страницу:

Похожие книги