»Sag’s mir nicht«, meinte er. »Lass mich raten. Es soll schottischer Whisky sein?«
»In zehn Jahren vielleicht«, antwortete Jamie und schenkte sich ebenfalls einen kleinen Becher ein. Er trank einen kleinen Schluck, spülte ihn durch seinen Mund und schluckte kopfschüttelnd. »Im Augenblick ist es Alkohol, und das ist alles, was ich zu seiner Verteidigung vorbringen kann.«
»Ja, das stimmt«, pflichtete Grey ihm bei und trank noch einen ganz kleinen Schluck. »Wo hast du ihn her?«
»Selbst gemacht«, sagte Jamie mit dem bescheidenen Stolz eines Meisterbrauers. »Ich habe zwölf Fässer davon.«
Jetzt schossen Greys helle Augenbrauen in die Höhe.
»Da ich nicht davon ausgehe, dass du dir damit die Stiefel putzen willst, darf ich fragen, was du mit zwölf Fässern von
Jamie lachte.
»Eintauschen«, sagte er. »Verkaufen, wenn ich kann. Schließlich gehören Alkoholsteuer und Braulizenzen zu den belanglosen Problemen, die mich dank unserer Abgelegenheit nicht beschäftigen«, fügte er ironisch hinzu.
Lord John stöhnte, probierte noch einen Schluck und stellte den Becher hin.
»Na ja, es könnte schon sein, dass du dem Zoll entwischst, das muss ich dir lassen – der nächste Beamte sitzt in Cross Creek. Aber ich kann trotzdem nicht sagen, dass es sicher ist. Wem, wenn ich fragen darf, verkaufst du denn dieses bemerkenswerte Gebräu? Doch hoffentlich nicht den Wilden?«
Jamie zuckte die Achseln.
»Nur ganz kleine Mengen – nie mehr als ein oder zwei Flaschen auf einmal, als Geschenk oder im Tausch. Niemals mehr, als einen Mann betrunken machen würde.«
»Sehr umsichtig. Ich nehme an, du hast die Geschichten gehört. Ich habe mich mit einem Mann unterhalten, der das Massaker in Michilimackinack überlebt hat, während des Franzosenkrieges. Es wurde – zumindest teilweise – dadurch verursacht, dass einer großen Ansammlung von Indianern im Fort eine beträchtliche Menge Alkohol in die Hände fiel.«
»Das habe ich auch gehört«, versicherte Jamie ihm trocken. »Aber wir stehen auf gutem Fuß mit den Indianern in der Umgegend, und es sind auch nicht so viele. Und wie ich schon gesagt habe, ich bin vorsichtig.«
»Mm.« Er probierte noch einen Schluck und zog eine Grimasse. »Vielleicht riskierst du mehr, wenn du einen von ihnen vergiftest, als wenn du einen Pöbel betrunken machst.« Er stellte das Glas ab und wechselte das Thema.
»Ich habe in Wilmington von einer Gruppe von Aufrührern gehört, die Regulatoren genannt werden, das Hinterland terrorisieren und durch Krawalle für Unruhe sorgen. Ist dir hier so etwas schon untergekommen?«
Jamie schnaubte kurz.
»Wen terrorisieren sie denn? Die Eichhörnchen? Es gibt das Hinterland, John, und dann gibt es die Wildnis. Dir ist doch sicher auf dem Weg hierher das Fehlen menschlicher Siedlungen aufgefallen?«
»Ich habe so etwas bemerkt«, stimmte Lord John ihm zu. »Und doch habe ich gewisse Gerüchte in Bezug auf deine Anwesenheit hier gehört – dass sie zum Teil auch als heilsamer Einfluss auf die wachsende Gesetzlosigkeit gedacht ist.«
Jamie lachte.
»Ich glaube, dass noch einige Zeit verstreichen wird, bevor es hier so viel Gesetzlosigkeit gibt, dass ich mich darum kümmern muss. Obwohl ich bereits einmal so weit gegangen bin, einen alten deutschen Bauern niederzuschlagen, der in der Kornmühle am Fluss eine junge Frau misshandelt hat. Er hatte sich eingeredet, dass sie ihn beim Wiegen übervorteilt hatte – was nicht stimmte –, und ich konnte ihn nur so vom Gegenteil überzeugen. Doch das war bis jetzt mein einziger Versuch, die öffentliche Ordnung aufrechtzuerhalten.«
Grey lachte und hob den umgestürzten König auf.
»Ich bin froh, das zu hören. Willst du dich bei einer weiteren Partie revanchieren? Ich kann schließlich nicht davon ausgehen, dass derselbe Trick zweimal funktioniert.«
Ich drehte mich auf die Seite, mit dem Gesicht zur Wand, und starrte schlaflos die Balken an. Das Licht des Feuers glomm auf den flügelförmigen Narben der Axt, die der Länge nach über jeden Stamm liefen, so regelmäßig wie Wellen an einem Sandstrand.
Ich versuchte, die Unterhaltung zu ignorieren, die hinter mir stattfand, und mich stattdessen in der Erinnerung an Jamie zu verlieren, wie er die Rinde abspaltete und Baumstämme abvierte, wie ich im Schutz einer halb errichteten Wand in seinen Armen schlief und spürte, wie um mich herum das Haus entstand, das mich mit Wärme und Sicherheit umschließen würde, eine dauerhafte Verkörperung seiner Umarmung. Diese Vision gab mir immer das Gefühl der Sicherheit und des Trostes, sogar dann, wenn ich auf dem Berg allein war, denn ich wusste, dass das Haus, das er für mich gebaut hatte, mir Schutz gab. Doch heute Nacht funktionierte sie nicht.
Ich lag still da und fragte mich, was mit mir los war. Oder vielmehr, nicht was, sondern