Lord John deklamierte mit ausladender Gestik. »›Der Geist himmelwärts, der Körper zur Erde.‹«
William atmete heftig durch die Nase aus, exakt auf dieselbe Weise, wie Jamie es tat, wenn man seine Geduld auf eine allzu harte Probe stellte. Ian zuckte neben mir zusammen. Lieber Himmel, dachte ich, erneut aus der Fassung gebracht. Hat der Junge denn nichts von seiner Mutter?
»Und hast du als Ergebnis deiner jüngsten m-mystischen Erfahrung irgendwelche spirituellen Einsichten erlangt, William?«, fragte Lord John und machte einen misslungenen Versuch, seine Selbstkontrolle wiederzuerlangen. Er und Jamie waren rot angelaufen vor Lachen, was meiner Meinung nach ihrer nachlassenden Nervosität nicht minder zuzuschreiben war als dem Brandy oder ihrer Ausgelassenheit.
Seine Lordschaft zog unter vernichtenden Blicken sein Halstuch aus und schleuderte es mit einem Platschen auf den Weg. Jetzt kicherte auch Ian nervös, denn er konnte sich nicht mehr zusammenreißen. Meine Bauchmuskeln zitterten ebenfalls vor Anspannung, doch ich konnte sehen, dass die freiliegenden Hautstellen über Williams Kragen die Farbe der reifen Tomaten neben dem Abort angenommen hatten. Da ich nur zu gut wusste, was passierte, wenn ein Fraser diesen Grad der Weißglut erreichte, hielt ich den Zeitpunkt für gekommen, die Festivität zu beenden.
»He-em«, sagte ich und räusperte mich. »Wenn die Herren erlauben? Wenn ich auch in der griechischen Philosophie nicht bewandert bin, so gibt es doch ein kleines Epigramm, das ich auswendig kenne.«
Ich reichte William das Gefäß mit der Seife, das ich anstatt eines Tourniquets mitgenommen hatte.
»Pindar«, sagte ich. »›Nichts geht über Wasser.‹«
Unter dem Schlamm zeigte sich so etwas wie Dankbarkeit. Seine Lordschaft verbeugte sich mit äußerster Korrektheit vor mir, wandte sich dann um, warf Ian einen kalten Blick zu und stampfte triefend durch das Gras zum Bach. Er schien seine Schuhe verloren zu haben.
»Der arme Teufel«, sagte Ian mitleidig. »Es wird Tage dauern, bis er den Gestank wieder loswird.«
»Zweifelsohne.« Lord Johns Lippen zuckten immer noch, doch der Drang, griechische Lyrik zu deklamieren, schien ihn verlassen zu haben und weniger abgehobenen Sorgen gewichen zu sein.
»Übrigens, weißt du, was aus meiner Pistole geworden ist? Derjenigen, welche William vor seinem Unglück benutzt hat?«
»Oh.« Ian sah unangenehm berührt aus. Er wies mit dem Kinn auf den Abort. »Ich … äh … also, ich fürchte sehr –«
»Ich verstehe.« Lord John rieb sich das makellos rasierte Kinn.
Jamie fixierte Ian mit einem langen Blick.
»Äh«, sagte Ian und wich ein paar Schritte zurück.
»Hol sie«, sagte Jamie in einem Tonfall, der keinen Widerspruch zuließ.
»Aber –«, sagte Ian.
»Sofort«, sagte sein Onkel und ließ den schleimigen Strick vor seinen Füßen zu Boden fallen.
Ians Adamsapfel zuckte – ein einziges Mal. Er sah mich mit großen Augen wie ein Kaninchen an.
»Zieh aber vorher deine Kleider aus«, sagte ich hilfsbereit. »Du willst doch nicht, dass wir sie verbrennen müssen, oder?«
Kapitel 26
Pest und Cholera
Kurz vor Sonnenuntergang verließ ich das Haus, um nach meinem Patienten im Maisspeicher zu sehen. Es ging ihm nicht besser, aber auch nicht sichtlich schlechter; dieselbe mühselige Atmung, dasselbe brennende Fieber. Doch diesmal begegneten seine eingesunkenen Augen den meinen, als ich den Schuppen betrat, und sie blieben auf meinem Gesicht haften, während ich ihn untersuchte.
Er umklammerte das Rabenfederamulett nach wie vor mit der Hand. Ich berührte es und lächelte ihm zu, dann gab ich ihm etwas zu trinken. Er nahm immer noch keine Nahrung an, trank aber etwas Milch und schluckte ohne Protest eine weitere Dosis meines fiebersenkenden Tees. Er lag bewegungslos da, während ich ihn untersuchte und fütterte, doch als ich ein heißes Tuch auswrang, um ihm daraus einen Brustwickel zu machen, streckte er plötzlich die Hand aus und ergriff meinen Arm.
Er schlug sich mit der anderen Hand auf die Brust und machte ein seltsames Summgeräusch. Das verwirrte mich für einen Augenblick, bis ich erkannte, dass er tatsächlich summte.
»Wirklich?«, sagte ich. Ich griff nach dem Päckchen mit den Kräutern für den Wickel und schlug sie in das Tuch. »Na gut. Lass mich nachdenken.«
Ich entschied mich für »Onward, Christian Soldiers«, was ihm zu gefallen schien – ich musste es dreimal komplett singen, ehe er zufriedengestellt zu sein schien und mit einem leichten Hustenanfall auf seine Decke zurücksank, eingehüllt in Kampferdämpfe.
Vor dem Haus blieb ich stehen und reinigte mir sorgfältig die Hände mit dem Alkohol aus der Flasche, die ich bei mir trug. Ich war mir sicher, dass ich keine Ansteckung zu befürchten hatte – ich hatte als Kind die Masern gehabt –, doch ich wollte kein Risiko eingehen, einen der anderen zu infizieren.