Nacognaweto befand sich in einem Wigwam auf der anderen Seite der Lichtung. Onakara hob den Vorhang und wies Jamie kopfnickend an, einzutreten.
Bei seinem Eintreten sprang ein plötzlicher Funke in den Augen des älteren Mannes auf, der aber sofort erstarb, als Nacognaweto sein Gesicht und die Schatten des vergangenen Schmerzes darin sah.
»Du bist nicht auf sie, die heilt, getroffen, oder die Frau, in deren Langhaus ich gelebt habe?«
Da Jamie mit der Sitte der Indianer vertraut war, nach der es sich nicht gehörte, den Namen eines Menschen auszusprechen, wusste er, dass er sich auf Gabrielle und die alte Nayawenne beziehen musste. Er schüttelte den Kopf und war sich bewusst, dass er mit dieser Geste wohl den letzten Hoffnungsfunken zerstörte, den der andere Mann noch gehegt hatte. Es war kein Trost, doch er zog die Brandyflasche aus seinem Gürtel und bot sie als stumme Entschuldigung dafür an, dass er keine guten Nachrichten überbringen konnte.
Nacognaweto nahm sie an und rief mit einer Geste eine Frau herbei, die in einem der Bündel an der Lederwand herumkramte und einen Kürbisbecher zum Vorschein brachte. Der Indianer schenkte eine Alkoholmenge ein, die ausreichte, um einen Schotten flachzulegen, und trank einen großen Schluck, bevor er Jamie den Becher reichte.
Er nippte aus Höflichkeit daran und gab Nacognaweto den Becher zurück. Es war unhöflich, sofort zum Grund seines Besuches zu kommen, doch er hatte keine Zeit für Palaver, und er konnte sehen, dass dem anderen Mann ebenfalls nicht der Sinn danach stand.
»Was ist geschehen?«, fragte er ohne Umschweife.
»Krankheit«, antwortete Nacognaweto leise. Seine Augen glänzten feucht und tränten vom Aroma des Brandys. »Wir sind verflucht.«
Zwischen weiteren Brandyschlucken kam die Geschichte mit Unterbrechungen ans Licht. Im Dorf waren die Masern ausgebrochen und hatten es wie eine Feuersbrunst durchfegt. Innerhalb einer Woche war ein Viertel der Dorfbewohner tot; jetzt war kaum noch ein Viertel am Leben.
Als die Krankheit ausgebrochen war, hatte Nayawenne über den Opfern gesungen. Als immer mehr erkrankten, war sie in den Wald gegangen auf der Suche nach … Jamie beherrschte die Tuscarorasprache nicht genügend, um die Worte zu verstehen. Einem Zauber, dachte er – irgendeiner Pflanze? Oder vielleicht ersuchte sie um eine Vision, die ihnen sagte, was sie tun sollten, wie sie das Böse wiedergutmachen konnten, das die Krankheit über sie gebracht hatte, oder den Namen des Feindes preisgab, der sie verflucht hatte. Gabrielle und Berthe waren mit ihr gegangen, weil sie alt war und nicht allein gehen sollte – und keine der drei Frauen war zurückgekehrt.
Nacognaweto schwankte ganz sacht im Sitzen und umklammerte den Kürbisbecher mit den Händen. Die Frau beugte sich über ihn und versuchte, ihm den Becher wegzunehmen, doch er schüttelte sie achselzuckend ab, und sie ließ ihn in Ruhe.
Sie hatten nach den Frauen gesucht, aber keine Spur von ihnen gefunden. Vielleicht hatten Räuber sie gefangen, vielleicht waren sie auch erkrankt und im Wald gestorben. Doch das Dorf war ohne
»Wir sind verflucht.«
Nacognawetos Worte kamen gedehnt, und der Becher neigte sich gefährlich in seinen Händen. Die Frau kniete sich hinter ihn und legte ihm ihre Hände auf die Schultern, um ihn zu stützen.
»Wir haben die Toten in den Häusern zurückgelassen und sie angezündet«, sagte sie zu Jamie. Auch ihre Augen waren schwarz vor Traurigkeit, doch etwas Leben nistete noch darin. »Jetzt gehen wir nach Norden, nach Oglanethaka.« Ihre Hände spannten sich auf Nacognawetos Schultern an, und sie nickte Jamie zu. »Geh jetzt.«
Er ging, und der Schmerz, den das Lager verströmte, haftete ihm an wie Rauch, der sich durch Kleider und Haare frisst. Und als er das Lager verließ, sprang die Selbstsucht wie ein kleiner, grüner Sprössling in seinem verkohlten Herzen auf, Erleichterung, dass der Schmerz – für dieses Mal – nicht der seine war. Seine Frau lebte noch. Seine Kinder waren in Sicherheit.
Er blickte zum Himmel auf und sah, wie sich der dumpfe Glanz der sinkenden Sonne in dem rauchigen Leichentuch widerspiegelte. Er verlängerte seine Schritte und wechselte in die raumgreifende Gangart des Bergläufers. Er hatte nicht viel Zeit; die Nacht kam schnell.
Achter Teil
Kapitel 30
Spurlos
Nein«, sagte er nachdrücklich. Roger schwang herum, um durch das Fenster auf den verhangenen Himmel zu blicken, während er sich den Hörer ans Ohr hielt. »Auf gar keinen Fall. Ich fahre nächste Woche nach Schottland, das habe ich Ihnen doch gesagt.«
»Oh, aber Roger«, beschwor ihn die Stimme der Dekanin. »Das ist doch wirklich etwas für Sie. Und es würde Ihren Terminplan kaum verzögern; nächsten Monat um diese Zeit könnten Sie in den Highlands Ihren Rehen hinterherjagen – und Sie haben mir doch selbst gesagt, dass Sie Ihrrre Süße nicht vor Juli errrwarrrten.«