Ich hatte unsere Sammelexpedition auch deswegen arrangiert, um allein mit ihr reden zu können; da Jamie, Ian und Lizzie im Haus waren und auch der Strom der Pächter und Besucher, die Jamie sprechen wollten, nicht abriss, war es unmöglich, sich dort ungestört zu unterhalten. Und wenn es stimmte, was ich vermutete, dann war dies eine Unterhaltung, bei der ich niemanden in Hörweite haben wollte.
Als ich meinen Korb halb mit dicken, fleischigen Holunderpilzen gefüllt hatte, war Brianna triefend aus dem Bach gestiegen, und ihr eigener Korb quoll über mit grünen Kressebüscheln und Schachtelhalmen zur Kerzenherstellung.
Sie wischte sich ihre Füße am Rocksaum ab und gesellte sich dann zu mir unter eine der großen Kastanien. Ich gab ihr die Flasche mit Apfelwein und wartete, bis sie etwas getrunken hatte.
»Ist es Roger?«, sagte ich ohne Einleitung.
Sie sah mich an, und in ihren Augen blitzte es erschrocken auf, doch dann sah ich, wie sich die Anspannung im Umriss ihrer Schultern löste.
»Ich habe mich schon gefragt, ob du es immer noch kannst«, sagte sie.
»Was?«
»Meine Gedanken lesen. Irgendwie habe ich mir gewünscht, dass du es noch kannst.« Ihr breiter Mund zuckte befangen, und sie versuchte zu lächeln.
»Ich schätze, ich bin ein bisschen aus der Übung«, sagte ich. »Aber lass mir einen Augenblick Zeit.« Ich streckte die Hand aus und strich ihr das Haar aus dem Gesicht. Sie sah mich an, blickte aber an mir vorbei, zu schüchtern, um meinem Blick zu begegnen. Ein Ziegenmelker rief tief in den grünen Schatten.
»Schon gut, Baby«, sagte ich. »Wie weit bist du denn?«
Der Atem entfuhr ihr in einem tiefen Seufzer. Ihr Gesicht erschlaffte erleichtert.
»Zwei Monate.«
Jetzt sah sie mich direkt an, und wie schon so oft seit ihrer Ankunft spürte ich ein leises Erschrecken darüber, wie anders sie war. Früher wäre ihre Erleichterung die eines Kindes gewesen; sie hätte mir ihre Angst eingestanden, und damit wäre sie schon halb überstanden gewesen, weil sie wusste, dass ich mich schon irgendwie darum kümmern würde. Doch jetzt war es nur noch die Erleichterung darüber, ein unerträgliches Geheimnis mit mir zu teilen; sie erwartete nicht, dass ich die Dinge in Ordnung bringen würde. Das Wissen, dass ich gar nichts tun
Sie drückte mir die Hand, wie um
»Hast du es schon gewusst?«
Ich setzte mich neben sie, weniger elegant.
»Ich schätze schon; aber ich wusste nicht, dass ich es wusste, falls das einen Sinn ergibt.« Als ich sie jetzt ansah, war es offensichtlich; ihre leichte Blässe und die winzigen Veränderungen ihrer Hautfarbe, ihr flüchtig nach innen gewandter Blick. Ich hatte es bemerkt, doch die Veränderungen ihrer ungewohnten Lage und der Anstrengung zugeschrieben – dem Ansturm der Gefühle über das Wiedersehen mit mir, der Begegnung mit Jamie, ihrer Sorge über Lizzies Krankheit, ihrer Sorge um Roger.
Ausgerechnet diese Sorge nahm plötzlich eine neue Dimension an.
»Oh, Gott. Roger!«
Sie nickte, bleich im gefilterten, gelben Schatten der Kastanienblätter über uns. Sie sah kränklich aus, und das war ja auch kein Wunder.
»Es sind schon fast zwei Monate. Er hätte längst hier sein müssen – es sei denn, es ist etwas passiert.«
Mein Verstand war mit Berechnungen beschäftigt.
»Zwei Monate, und jetzt ist es fast November.« Die Blätter lagen dick und weich unter uns, gelb und braun, frisch von den Hickorybäumen und Kastanien gefallen. Mir sank plötzlich das Herz. »Brianna – du musst zurück.«
»Was?« Ihr Kopf fuhr auf. »Zurück wohin?«
»Zu den Steinen.« Ich gestikulierte aufgeregt mit der Hand. »Nach Schottland, und zwar sofort.«
Sie starrte mich an, die dichten Brauen zusammengezogen.
»
Ich holte tief Luft und spürte, wie in mir ein Dutzend Emotionen kollidierten. Sorge um Brianna, Angst um Roger, schreckliche Traurigkeit um Jamies willen, der sie so schnell wieder würde aufgeben müssen. Und um meinetwillen.
»Du kannst schwanger durchkommen. So viel wissen wir, weil ich es mit dir auch geschafft habe. Aber, Schätzchen – du kannst kein Baby mitnehmen durch dieses … dieses … es geht nicht«, schloss ich hilflos. »Du weißt, wie es ist.« Es war drei Jahre her, seit ich durch die Steine gekommen war, doch ich erinnerte mich lebhaft daran.
Ihre Augen wurden schwarz, als das wenige restliche Blut ihr aus dem Gesicht wich.
»Du kannst kein Kind mitnehmen«, wiederholte ich, während ich versuchte, mich wieder unter Kontrolle zu bekommen, logisch zu denken. »Es wäre so, als würdest du mit dem Baby in den Armen von den Niagarafällen springen. Du musst zurück, bevor es geboren ist, oder …« Ich brach ab und rechnete nach.