Ihr Vater lag zusammengerollt auf einem Strohbett, das Plaid über sich gezogen, eine Armlänge von der kleinen, gescheckten Kuh entfernt. Die Färse hatte sich hingelegt und die Hufe seitlich angezogen. Ab und zu grunzte sie, und ein Ausdruck ruhiger Konzentration lief über ihr breites, weißes Gesicht.
Sein Kopf hob sich abrupt, als er ihre Schritte auf dem Kies hörte, und seine Hand fuhr automatisch an den Gürtel unter seinem Plaid.
»Ich bin’s«, sagte sie und sah, wie die Anspannung von ihm wich, als sie ins Licht trat. Er schwang seine Füße zur Seite, setzte sich hin und rieb sich das Gesicht, während sie eintrat und die untere Hälfte der Tür sorgfältig hinter sich schloss.
»Deine Mutter noch nicht wieder da?« Es war offensichtlich, dass sie allein war, aber er sah kurz über ihre Schulter hinweg, als hoffte er, dass Claire plötzlich aus dem Dunkel auftauchen würde.
Brianna schüttelte den Kopf. Claire war in Begleitung von Lizzie fortgegangen, um auf einem der Höfe auf der anderen Seite des Tals bei einer Geburt zu helfen; wenn das Kind bei Sonnenuntergang noch nicht da war, würden sie die Nacht bei den Lachlans verbringen.
»Nein. Sie hat aber gesagt, ich soll dir etwas zu essen bringen, wenn sie nicht zeitig zurück ist.« Sie kniete sich hin, begann, den kleinen Korb auszupacken, den sie mitgebracht hatte, und brachte kleine, mit Käse und eingelegten Tomaten gefüllte Brotlaibe, einen Kuchen mit Trockenäpfeln und zwei Steingutflaschen zum Vorschein, eine mit heißer Gemüsesuppe, die andere mit Apfelwein.
»Das ist lieb von dir, Kleine.« Er lächelte sie an und griff nach einer der Flaschen. »Hast du denn schon gegessen?«
»Oh, ja«, versicherte sie ihm. »Reichlich.« Sie hatte gegessen, konnte sich aber einen kurzen, verlangenden Blick auf die frischen Brötchen nicht verkneifen; ihre anfängliche, leichte Übelkeit war vorbei, und sie war einem Appetit gewichen, dessen Intensität schon fast beunruhigend war.
Er bemerkte ihren Blick, zog lächelnd seinen Dolch, schnitt eins der Brötchen halb durch und gab ihr das größere Stück.
Sie saßen nebeneinander auf dem Stroh und kauten eine Zeitlang einträchtig vor sich hin. Die Stille wurde nur durch das leise Schnauben und Grunzen der anderen Stallbewohner unterbrochen. An der gegenüberliegenden Seite des Stalls war ein Verschlag für die riesige Sau und ihren jüngsten Wurf abgetrennt; Brianna konnte sie gerade eben im Stroh ausmachen, eine Reihe eng aneinanderliegender, rundlicher Körper, die jetzt schon in weiser Voraussicht wie Würste geformt waren.
Der Rest des kleinen Innenraums war in drei grob gezimmerte Boxen unterteilt. Eine gehörte Magdalen, der roten Kuh, die friedlich wiederkäuend im Stroh lag, und ihrem neugeborenen Kalb, das sich im Schlaf an ihre massive Brust gekuschelt hatte.
Die zweite Box war leer und mit frischem Stroh ausgelegt; sie stand für die gescheckte Kuh und ihr überfälliges Kalb bereit. In der dritten Box stand Ians Stute mit glänzenden, vom Gewicht eines Fohlens ausgewölbten Flanken.
»Hier sieht es aus wie in einer Entbindungsstation«, sagte Brianna und wies kopfnickend auf Magdalen, während sie sich die Krümel von ihrem Rock strich.
Jamie lächelte und zog eine Augenbraue hoch wie immer, wenn sie etwas sagte, das er nicht verstand.
»Ach ja?«
»Das ist ein besonderer Teil des Krankenhauses, in dem sie die frischgebackenen Mütter mit ihren Neugeborenen unterbringen«, erklärte sie. »Mama hat mich manchmal zur Arbeit mitgenommen, und ich durfte mir das Säuglingszimmer ansehen, während sie ihre Runde machte.«
Eine plötzliche Erinnerung an den leicht ätzenden Desinfektionsmittelgeruch des Krankenhausflurs überkam sie. Die Babys waren zu Bündeln gewickelt und lagen plump wie Ferkel in ihren Bettchen, ihre Decken rosa und blau codiert. Sie verbrachte viel Zeit damit, an der Bettenreihe auf und ab zu gehen, während sie versuchte, sich zu entscheiden, welches sie mit nach Hause nehmen würde, wenn sie eins behalten dürfte.
Rosa oder blau? Zum ersten Mal fragte sie sich, was wohl das Baby tragen würde, das sie jetzt behalten
»Sie haben die Babys hinter eine Glaswand gelegt, so dass man sie ansehen konnte, ohne Keime auf sie zu atmen«, sagte sie mit einem Seitenblick auf Magdalen, die selbstvergessen die grünen Speichelfäden ignorierte, die von ihrem seelenruhig kauenden Kiefer auf den Kopf ihres Kalbes tropften.
»Keime«, sagte er nachdenklich. »Aye, von den Keimen habe ich schon gehört. Gefährliche kleine Biester, nicht wahr?«
»Manchmal.« Sie erinnerte sich lebhaft daran, wie ihre Mutter ihre Medizinkiste für den Besuch bei den Lachlans fertig gemacht und sorgfältig die große Glasflasche mit destilliertem Alkohol aus dem Fass in der Vorratskammer nachgefüllt hatte. Und, länger her, aber nicht weniger lebhaft, wie ihre Mutter Roger von der Vergangenheit erzählt hatte.