Ein Mann, der sehr tapfer war, sagte, er würde den Kopf nehmen und ihn weit weg begraben.« Sie lächelte kurz. »Dieser tapfere Mann war mein Mann. Er wickelte den Kopf in ein Stück Hirschleder und lief damit weit nach Süden, und der Kopf redete immer noch unablässig unter seinem Arm, so dass er sich die Ohren mit Bienenwachs verstopfen musste. Schließlich sah er einen sehr großen Lebensbaum, und er wusste, dass dies die Stelle war, denn der Lebensbaum hat einen starken, heilenden Geist.
Also hat er den Kopf unter den Wurzeln des Baumes vergraben, und als er das Bienenwachs aus seinen Ohren nahm, konnte er nur den Wind und das Wasser hören. Dann ging er heim, und niemand in diesem Dorf hat Otterzahns Namen jemals wieder erwähnt, von jenem Tag an bis zu diesem.«
Das Mädchen sprach zu Ende, den Blick auf ihre Großmutter gerichtet. Es stimmte offenbar; sie hörte diese Geschichte zum ersten Mal.
Ich schluckte und versuchte, ungehindert Luft zu holen. Der Rauch war während ihrer Erzählung versiegt und hatte sich in einer tiefhängenden Wolke über unseren Köpfen gesammelt, sein narkotisches Parfüm lag schwer in der Luft.
Die Heiterkeit im Kreis der Trinker hatte nachgelassen. Einer der Männer stand auf und ging stolpernd aus dem Haus. Zwei weitere lagen im Halbschlaf auf der Seite am Feuer.
»Und dies?«, sagte ich und hielt ihr den Opal hin. »Habt Ihr den Stein schon einmal gesehen? Hat er ihm gehört?«
Tewaktenyonh streckte die Hand aus, als wollte sie den Stein berühren, zog sie dann aber zurück.
»Es gibt eine Legende«, sagte das Mädchen, ohne den Blick von dem Opal abzuwenden. »Magische Schlangen tragen Steine in ihren Köpfen. Wer eine solche Schlange tötet und den Stein an sich nimmt, dem verleiht er große Kraft.« Sie rutschte beklommen hin und her, und genau wie sie konnte ich mir ohne Probleme vorstellen, wie groß eine Schlange sein musste, die einen solchen Stein in sich trug.
Die Alte sprach plötzlich und wies kopfnickend auf den Stein. Das Mädchen fuhr auf, wiederholte aber gehorsam die Worte.
»Es war seiner«, sagte sie. »Er nannte ihn seine
Ich sah die Dolmetscherin an, doch sie schüttelte den Kopf.
Ich schüttelte den Kopf.
Nach dem Ende ihrer Erzählung lehnte sich die alte Frau in ihre Felle zurück und beobachtete mich voller Spekulation. Ihr Blick ruhte auf dem Amulett um meinen Hals.
»Warum hat er zu Euch gesprochen? Warum hat er Euch das gegeben?« Sie wies kopfnickend auf meine Hand, und meine Finger schlossen sich instinktiv um den gerundeten Opal.
»Ich weiß es nicht«, sagte ich, aber sie hatte mich überrumpelt; ich hatte keine Zeit gehabt, mein Gesicht vorzubereiten.
Sie fixierte mich mit einem durchdringenden Blick. Sie wusste genau, dass ich log – und doch, wie hätte ich ihr die Wahrheit sagen sollen? Ihr sagen sollen, was Otterzahn – wie auch immer er wirklich hieß – gewesen war? Ganz zu schweigen davon, dass seine Prophezeiungen wahr waren?
»Ich glaube, er gehörte vielleicht zu meiner … Familie«, sagte ich schließlich und erinnerte mich daran, was mir Pollyanne über die Geister der Vorfahren erzählt hatte. Es war nicht zu sagen, woher – oder aus welcher Zeit – er gekommen war; ich nahm an, dass er ein Vorfahr oder ein Nachkomme sein musste. Wenn nicht von mir, dann von jemandem wie mir.
Bei diesen Worten setzte sich Tewaktenyonh kerzengerade auf und sah mich erstaunt an. Langsam verblasste der Ausdruck, und sie nickte.
»Er hat Euch zu mir geschickt, damit Ihr dies hört. Er hatte unrecht«, erklärte sie selbstsicher. »Mein Bruder hat gesagt, wir sollten nicht von ihm sprechen; wir sollten ihn dem Vergessen anheimfallen lassen. Aber niemand ist vergessen, solange es noch zwei Menschen unter dem Himmel gibt. Einen, um seine Geschichte zu erzählen, den anderen, um sie zu hören. Also.«
Sie streckte die Hand aus und berührte die meine, achtete aber darauf, nicht an den Stein zu kommen. Das feuchte Glitzern in ihren Augen hätte vom Tabakrauch stammen können.
»Ich bin der eine. Ihr der andere. Er ist unvergessen.«
Sie winkte dem Mädchen, das sich schweigend erhob und uns Speisen und Getränke brachte.
Als ich schließlich aufstand, warf ich einen Blick auf das Trinkgelage. Der Boden war mit schnarchenden Gestalten übersät, und das Fass lag leer auf der Seite. Zwei Speere lag friedlich auf dem Rücken, und ein seliges Lächeln vertiefte die Falten in seinem Gesicht. Das Mädchen, Ian und Jamie waren fort.
Jamie stand vor dem Haus und wartete auf mich. Sein Atem stieg weiß in der Nachtluft auf, und aus seinem Plaid wehten mir Tabak- und Whiskygerüche entgegen.
»Ihr scheint euch amüsiert zu haben«, sagte ich und ergriff seinen Arm. »Irgendwelche Fortschritte, was meinst du?«