Читаем Outlander - Der Ruf der Trommel: Roman (Die Outlander-Saga 4) (German Edition) полностью

»Ihr schockiert mich«, sagte er höflich, ohne auch nur im Geringsten einen schockierten Eindruck zu machen.

Sie spürte, wie ihr erneut das Blut ins Gesicht schoss, heißer als zuvor.

»Ihr wisst ganz genau, dass es nicht das ist, was ich meine!«

Er verbarg sein Lächeln in seinem Sherryglas und sah sie mit gekräuselten Augenwinkeln an.

»Ich bitte um Verzeihung, Miss Fraser. Was habt Ihr dann gemeint?«

Sie trank einen großen Schluck Tee, um ihre Verwirrung zu überspielen, und spürte, wie ihr die beruhigende Wärme durch den Hals in die Brust rann.

»Ich meine«, sagte sie mit zusammengebissenen Zähnen, »diesen Schlamassel hier; dass ich wie ein Stück Zuchtvieh mit einem fragwürdigen Stammbaum aufs Podest gestellt werde. Dass man mich im Genick packt und hochhält wie ein verwaistes Kätzchen in der Hoffnung, dass mich jemand aufnimmt. Dass ich – dass ich überhaupt hier allein bin«, schloss sie, und ihre Stimme zitterte unerwartet.

»Warum seid Ihr hier allein?«, fragte Lord John ganz sanft. »Ich hätte gedacht, Eure Mutter wäre –«

»Das wollte sie auch. Ich habe sie nicht gelassen. Weil sie – also er – oh, es ist alles so ein verfluchter Schlamassel!« Sie ließ den Kopf in ihre Hände sinken und starrte am Boden zerstört auf die Tischplatte. Sie weinte nicht, war aber auch nicht weit davon entfernt.

»Das sehe ich wohl.« Lord John beugte sich vor und stellte sein leeres Glas auf das Tablett zurück. »Es ist sehr spät, meine Liebe, und wenn Ihr mir die Beobachtung verzeiht, Ihr braucht dringend Ruhe.« Er stand auf und legte ihr sacht die Hand auf die Schulter; seltsamerweise kam sie ihr einfach nur freundlich vor, nicht herablassend, wie es vielleicht die Hand eines anderen Mannes gewesen wäre.

»Da es so aussieht, als sei meine Reise nach Wilmington überflüssig, werde ich wohl die freundliche Einladung Eurer Tante annehmen und ein Weilchen hierbleiben. Wir werden uns noch öfter unterhalten und dann sehen, ob sich Eure Situation nicht zumindest lindern lässt.«




Kapitel 59

Erpressung

Der Nachtstuhl war großartig, ein wunderbares, aus glattem Walnussholz geschnitztes Stück, das das Schöne mit dem Praktischen verband. Besonders praktisch in einer regnerischen, kalten Nacht wie dieser hier. Schläfrig fingerte sie im Dunkeln an seinem Deckel herum, von den Blitzen beleuchtet, deren Licht durchs Fenster fiel, dann setzte sie sich hin und seufzte vor Erleichterung, als der Druck in ihrer Blase nachließ.

Offenbar erfreut über den zusätzlichen Platz, der dadurch entstand, vollführte Osbert eine Reihe von trägen Purzelbäumen und ließ ihren Bauch unter dem weißen Flanellnachthemd geisterhafte Wellen schlagen. Sie stand langsam auf – sie tat jetzt fast alles langsam – und fühlte sich angenehm vom Schlaf betäubt.

Sie blieb neben ihrem zerwühlten Bett stehen und blickte hinaus auf die kahle Schönheit der Hügel und der regengepeitschten Bäume. Das Fensterglas fühlte sich eisig an, und die Wolken wälzten sich schwarzbäuchig und donnergrollend von den Bergen herab. Es schneite nicht, doch die Nacht war auch so scheußlich genug.

Und wie war es jetzt im Hochgebirge? Hatten sie ein Dorf erreicht, das ihnen Schutz bot? Hatten sie Roger gefunden? Sie erschauerte unwillkürlich, obwohl die Glut immer noch rot im Kamin glühte und es warm im Zimmer war. Sie spürte die unwiderstehliche Anziehungskraft ihres Bettes, das ihr Wärme versprach, und stärker noch den Lockruf der Träume, in denen sie vielleicht dem chronischen Nagen von Furcht und Schuld entkommen konnte.

Doch sie wandte sich zur Tür und zog ihren Umhang vom Haken an ihrer Rückseite. Der Drang der Schwangerschaft mochte es ja nötig machen, dass sie den Nachtstuhl in ihrem Zimmer benutzte, doch sie war fest entschlossen, dass kein Sklave jemals einen Nachttopf für sie tragen würde – nicht, solange sie noch laufen konnte. Sie hüllte sich fest in den Umhang, nahm die zugedeckte Zinnschale aus ihrem Fach und schritt leise durch den Korridor.

Es war sehr spät; alle Kerzen waren gelöscht, und der abgestandene Geruch heruntergebrannter Feuer hing im Treppenhaus, doch im Geflacker der Blitze konnte sie deutlich genug sehen, als sie die Treppe hinunterging. Die Küchentür war entriegelt, eine Unvorsichtigkeit, für die sie dem Koch inständig dankte; so brauchte sie keinen Lärm zu machen, indem sie einhändig mit dem schweren Riegel kämpfte.

Eiskalter Regen schlug ihr ins Gesicht und spritzte unter dem Saum ihres Nachthemdes hoch, so dass sie nach Luft schnappte. Doch als sie den ersten Kälteschock überwunden hatte, genoss sie es; die Gewalt des Wetters war aufregend, der Wind so stark, dass er ihren Umhang in Wogen aufblähte und sie sich zum ersten Mal seit Monaten leichtfüßig fühlte.

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