Sie wirbelte in einem Schwung bis zum Abort, spülte den Topf in dem Regenguss aus, der von dessen Traufen herabströmte, und blieb dann auf dem gepflasterten Hof stehen und ließ sich den frischen Wind in ihr Gesicht wehen, ließ ihre Wangen vom Regen peitschen. Sie war sich nicht sicher, ob es Buße oder Lobpreis war – ein Bedürfnis, die Unannehmlichkeiten zu teilen, mit denen es ihre Eltern wahrscheinlich zu tun hatten, oder mehr ein heidnischer Ritus –, das Bedürfnis, sich selbst zu verlieren, indem sie mit der wilden Macht der Elemente verschmolz. So oder so, es spielte keine Rolle; sie stellte sich mit Absicht unter den Wasserstrahl der Dachrinne und ließ das Wasser gegen ihre Kopfhaut hämmern, ihr Haar und ihre Schultern durchnässen.
Sie schnappte nach Luft, schüttelte sich das Wasser aus dem Haar wie ein Hund und trat zurück – und hielt inne, weil ein plötzlich aufblitzendes Licht ihre Aufmerksamkeit erregte. Kein Blitz; ein beständiger Strahl, der einen Moment lang leuchtete und dann verschwand.
Die Tür eines der Sklavenquartiere öffnete sich für einen Moment und schloss sich dann wieder. Kam da jemand? Ja; sie konnte Schritte auf dem Kies hören und trat noch einen Schritt zurück in den Schatten – das Letzte, was sie wollte, war zu erklären, was sie hier draußen trieb.
Ein Blitz zeigte ihn ihr deutlich im Vorübergehen, und sie erkannte ihn schlagartig. Lord John Grey, der in Hemdsärmeln und ohne Kopfbedeckung vorbeieilte; sein blondes Haar, das nicht zusammengebunden war, wehte im Wind, und offensichtlich bemerkte er weder die Kälte noch den Regen. Er ging vorbei, ohne sie zu entdecken, und verschwand unter dem Überhang der Küchenveranda.
Sie erkannte, dass sie in Gefahr war, ausgesperrt zu werden, und rannte hinter ihm her. Er war gerade dabei, die Tür zu schließen, als sie mit der Schulter dagegenprallte. Sie platzte in die Küche und stand triefend da, während Lord John sie ungläubig anglotzte.
»Schöne Nacht für einen Spaziergang«, sagte sie, halb außer Atem. »Nicht wahr?« Sie strich sich das feuchte Haar zurück, glitt mit einem höflichen Nicken an ihm vorbei, hinaus und die Treppe hinauf. Ihre nackten Füße hinterließen feuchte, halbmondförmige Abdrücke auf dem dunklen, polierten Holz. Sie lauschte, doch sie hörte keine Schritte hinter sich, als sie an ihrem Zimmer angelangte.
Sie ließ Umhang und Nachthemd vor dem Feuer zum Trocknen liegen und stieg nackt ins Bett, nachdem sie sich Haare und Gesicht abgetrocknet hatte. Sie zitterte, doch das Gefühl der Baumwolllaken auf ihrer nackten Haut war wundervoll. Sie räkelte sich und wackelte mit den Zehen, dann drehte sie sich auf die Seite, rollte sich fest um ihren Schwerpunkt zusammen und ließ die beständige Wärme aus ihrem Inneren nach außen weichen, wo sie nach und nach ihre Haut erreichte und einen kleinen Kokon der Wärme um sie bildete.
Sie ließ die Szene auf dem Gartenweg noch einmal vor ihrem inneren Auge ablaufen, und ganz allmählich nahmen die verschwommenen Gedanken, die ihr im Kopf herumgerattert waren, eine rationale Gestalt an.
Lord John begegnete ihr stets aufmerksam und respektvoll – oft belustigt oder bewundernd –, doch irgendetwas fehlte. Sie war nicht in der Lage gewesen, es zu identifizieren – lange Zeit war es ihr nicht einmal aufgefallen –, doch jetzt wusste sie, was es war, ohne jeden Zweifel.
Wie die meisten auffallend schönen Frauen war auch sie an die offene Bewunderung der Männer gewöhnt, und auch Lord John brachte ihr diese entgegen. Doch unter der Bewunderung lag für gewöhnlich eine tiefere Aufmerksamkeit, subtiler als Blick oder Geste, eine Vibration wie der entfernte Klang einer Glocke, eine instinktive Bestätigung, dass man sie als Frau wahrnahm. Bei ihrer ersten Begegnung hatte sie geglaubt, dies bei Lord John zu spüren, doch bei den darauffolgenden Begegnungen war es fort gewesen, und sie war zu dem Schluss gekommen, dass sie es anfangs irrtümlich angenommen hatte.
Sie hätte es schon eher erraten können, dachte sie; sie hatte diese innere Gleichgültigkeit schon einmal erlebt, beim Zimmergenossen eines beiläufigen Freundes. Andererseits verbarg Lord John es sehr gut; sie wäre nie darauf gekommen, wäre sie ihm nicht zufällig im Hof begegnet. Nein, sie brachte ihn nicht zum Klingen. Doch als er aus dem Dienstbotenquartier gekommen war, da hatte er gedröhnt wie eine Alarmglocke.
Sie fragte sich kurz, ob ihr Vater es wusste, verwarf die Möglichkeit dann aber wieder. Nach seinen Erfahrungen im Gefängnis von Wentworth konnte er unmöglich solch liebevolle Hochachtung, wie er sie für Lord John empfand, für einen Mann mit dessen Vorlieben hegen.