Er hörte sich vielleicht nicht gern zu, aber ich schon. Ich verstand zwar kein Griechisch, doch das Auf und Ab der Silben in dieser weichen tiefen Stimme war so beruhigend wie das Plätschern des Wassers an der Bordwand.
Jamie, der sich inzwischen widerstrebend mit der Anwesenheit seines Neffen abgefunden hatte, nahm seine Verantwortung für Ian sehr ernst, und er hatte angefangen, dem Jungen während der Reise Unterricht zu erteilen. Immer wieder benutzte er freie Momente, um dem Jungen die Grundlagen der griechischen oder lateinischen Grammatik beizubringen – oder es zumindest zu versuchen – und seine Kenntnisse in Mathematik und französischer Konversation zu verbessern.
Glücklicherweise begriff Ian mathematische Prinzipien genauso schnell wie sein Onkel; die Kabinenwand neben mir war mit eleganten euklidischen Beweisen bedeckt, die sie mit einem angekohlten Stöckchen ausgeführt hatten. Im Sprachbereich hatten sie weniger gemeinsam.
Jamie war ein geborenes Sprachgenie; er lernte neue Sprachen oder Dialekte ohne sichtbare Anstrengung und schnappte Redewendungen auf, wie ein Hund sich beim Toben durch die Felder Fuchsschwanzgräser einfängt. Außerdem war er an der Pariser
Ian war mit Englisch und Gälisch aufgewachsen, und von Fergus hatte er eine Art französisches Patois gelernt, das er für seine Zwecke ausreichend fand. Sicher, er besaß ein beeindruckendes Repertoire an Schimpfwörtern in sechs oder sieben weiteren Sprachen – die er sich in jüngster Zeit im Kontakt mit diversen zweifelhaften Vorbildern zugelegt hatte, unter ihnen auch sein Onkel –, doch er hatte nur einen sehr vagen Begriff von den Geheimnissen der lateinischen Konjugation.
Noch weniger wusste er die Notwendigkeit zu schätzen, Sprachen zu lernen, die er nicht nur für tot hielt, sondern auch für so vergammelt, dass es nicht mehr die geringste Verwendung für sie gab. Homer hatte keine Chance gegen dieses aufregende neue Land, in dem das Abenteuer auf beiden Ufern seine lockenden Hände ausstreckte.
Jamie beendete seine griechische Passage und befahl Ian mit einem Seufzer, den ich von meinem Platz aus deutlich hören konnte, das Lateinbuch hervorzuholen, das er sich aus Gouverneur Tryons Bibliothek ausgeliehen hatte. Da mich jetzt kein Vortrag mehr ablenkte, widmete ich mich wiederum Dr. Rawlings’ Krankenbuch.
Der Doktor schien wie ich etwas Latein zu verstehen, hatte aber den Großteil seiner Notizen in Englisch niedergeschrieben. Nur bei offiziellen Eintragungen wechselte er ins Lateinische.
»Esel«, murmelte ich – nicht zum ersten Mal. »Kannst du nicht sehen, dass der Mann leberkrank ist?« Wahrscheinlich leichte Zirrhose; Rawlings hatte eine geringfügige Vergrößerung und Verhärtung der Leber notiert, was er allerdings der vermehrten Gallenproduktion zuschrieb. Höchstwahrscheinlich Alkoholvergiftung; die Pusteln im Gesicht und auf der Brust waren typisch für eine Mangelerscheinung, die ich oft in Verbindung mit exzessivem Alkoholgenuss sah – und
Falls Beddoes noch am Leben war – was ich bezweifelte –, trank er wahrscheinlich täglich bis zu einem Liter Hochprozentiges und hatte seit Monaten kein frisches Gemüse mehr aus der Nähe gesehen. Die Pusteln, zu deren Verschwinden sich Rawlings beglückwünschte, waren wahrscheinlich zurückgegangen, weil er in seinem Spezialrezept für die »schwarze Tinktur« Rübenblätter als Farbstoff benutzte.
In meine Lektüre vertieft, hörte ich mit halbem Ohr Ians holprige Version von Plautus’
»
»Danke, Onkel Jamie.
»Oh, aye,
»
»Leben«, tönte Ian. Dankbar klammerte er sich an diesen Strohhalm.