»Himmel! Das ist die größte Ratte, die ich je gesehen habe.«
Ich lachte.
»Das ist keine Ratte, das ist ein Opossum. Siehst du die Jungen auf dem Rücken?«
Jamie und Rollo bedachten das Opossum mit berechnenden Blicken und versuchten, sein Gewicht und seine Geschwindigkeit abzuschätzen. Vier kleine Opossums starrten ernst und mit zuckenden Nasen zurück. Ihre Mutter hielt das Boot offensichtlich nicht für eine Bedrohung, trank ungerührt zu Ende, drehte sich um und wackelte langsam in den Busch zurück. Die Spitze ihres nackten, rosafarbenen Schwanzes verschwand, als der Laternenschein verblasste.
Beide Jäger gaben einen Seufzer von sich und entspannten sich wieder.
»Myers hat gesagt, man kann sie gut essen«, bemerkte Jamie sehnsüchtig. Ich seufzte meinerseits leise, griff in meine Rocktasche und gab ihm einen Stoffbeutel.
»Was ist das?« Er lugte interessiert in den Beutel und schüttelte sich dann die kleinen, braunen Kügelchen in die Handfläche.
»Geröstete Erdnüsse«, sagte ich. »Sie wachsen hier, unter der Erde. Ich habe einen Bauern gesehen, der sie als Schweinefutter verkaufte, und die Wirtin hat ein paar davon für mich geröstet. Man entfernt die Schale, bevor man sie isst.« Ich grinste ihn an und genoss das völlig neue Gefühl, ausnahmsweise einmal mehr über unsere Umgebung zu wissen als er.
Er warf mir einen säuerlichen Blick zu, zerdrückte eine Nussschale zwischen Daumen und Zeigefinger und brachte drei Nüsse zum Vorschein.
»Ich bin unwissend, Sassenach«, sagte er. »Kein Dummkopf. Das ist der Unterschied, aye?« Er steckte eine Nuss in den Mund und biss zögernd zu. Seine skeptische Miene verwandelte sich in erfreute Überraschung; er kaute mit wachsender Begeisterung und schob sich die anderen Nüsse in den Mund.
»Schmeckt’s?« Ich lächelte und genoss sein Vergnügen. »Ich mach dir Erdnussbutter fürs Brot, wenn wir uns niedergelassen haben und ich meinen neuen Mörser ausgepackt habe.«
Er lächelte zurück und schluckte, bevor er die nächste Nuss knackte.
»Ich muss sagen, es ist zwar sumpfig hier, aber der Boden ist gut. Ich habe noch nie so viele Dinge so mühelos wachsen sehen.«
Er schob sich noch eine Nuss in den Mund.
»Ich habe nachgedacht, Sassenach«, sagte er und blickte auf seine Handflächen hinab. »Was hältst du davon, uns hier niederzulassen?«
Die Frage kam nicht völlig unerwartet. Ich hatte gesehen, wie er die schwarzen Felder und ihre reiche Ernte mit den glitzernden Augen des Ackerbauern sah, und mir war der sehnsüchtige Ausdruck nicht entgangen, mit dem er die Pferde des Gouverneurs bewunderte.
Wir konnten sowieso nicht sofort nach Schottland zurückkehren. Ian ja, aber Jamie und ich nicht, dank gewisser Komplikationen – von denen eine nicht unwesentliche den Namen Laoghaire MacKenzie trug.
»Ich weiß nicht«, sagte ich langsam. »Auch wenn man die Indianer und wilden Tiere einmal völlig außer Acht lässt –«
»Ooch, aber«, unterbrach er leicht verlegen. »Myers hat mir gesagt, sie machen keine Schwierigkeiten, wenn man sich von den Bergen fernhält.«
Ich unterließ es, ihn darauf hinzuweisen, dass uns das Angebot des Gouverneurs in die Nähe ebendieser Berge bringen würde.
»Ja, aber du erinnerst dich doch noch an das, was ich dir gesagt habe, oder? Über die Revolution? Jetzt haben wir 1767, und du hast die Gespräche am Tisch des Gouverneurs gehört. Noch neun Jahre, Jamie, dann bricht hier die Hölle los.« Wir hatten beide schon Kriege erlebt und nahmen diese Vorstellung nicht auf die leichte Schulter. Ich legte eine Hand auf seinen Arm und zwang ihn, mich anzusehen.
»Ich hatte schon einmal recht, das weißt du.« Ich hatte gewusst, was auf dem Feld von Culloden geschehen würde, hatte ihm das Schicksal Charles Stuarts und seiner Männer vorausgesagt. Und weder mein Wissen noch das seine hatte ausgereicht, um uns zu retten. Zwanzig schmerzhafte Jahre der Trennung und der Geist einer Tochter, die er niemals sehen würde, lagen hinter diesem Wissen.
Er nickte langsam und hob die Hand, um meine Wange zu berühren. Der sanfte Schein der kleinen Laterne über uns zog scharenweise kleine Mücken an; von seiner Bewegung gestört, wirbelten sie plötzlich auf.
»Aye, das stimmt«, sagte er leise. »Aber damals – dachten wir, wir müssten die Dinge ändern. Oder es zumindest versuchen. Aber hier –« Er drehte sich um und ließ den Arm über das weite Land schweifen, das unsichtbar hinter den Bäumen lag. »Ich würde es nicht für meine Sache halten«, sagte er schlicht. »Weder dabei helfen noch es verhindern wollen.«
Ich verscheuchte die Mücken aus meinem Gesicht.
»Es
Er rieb sich mit dem Finger unter der Unterlippe entlang und überlegte. Sein Bart begann zu sprießen, ein Schimmer roter Stoppeln mit Silberfunken im Schein der Laterne. Er war ein hochgewachsener Mann, gutaussehend und kräftig, in den besten Jahren, doch nicht länger jung, wie ich mit plötzlicher Dankbarkeit begriff.