»Wir haben eine kleine Sägemühle«, erklärte Jocasta unterwegs. »Kurz oberhalb der Stelle, wo das Flüsschen in den Cape Fear fließt. Dort wird das Holz gesägt und zugeschnitten, und dann werden die Bretter und Fässer mit dem Kahn nach Wilmington geschickt. Auf dem Wasserweg ist es keine große Entfernung vom Haus zur Sägemühle, wenn es einem nichts ausmacht, flussaufwärts zu rudern, aber ich habe mir gedacht, ich zeige euch lieber ein bisschen die Landschaft.« Sie atmete die nach Kiefern duftende Luft mit sichtlichem Wohlgefallen ein. »Es ist schon eine Weile her, dass ich selber das letzte Mal draußen war.«
Es war wirklich eine wunderbare Landschaft. Jetzt, da wir den Kiefernwald erreicht hatten, war es viel kühler, denn das dichte Nadeldach schirmte uns von der Sonne ab. Über uns ragten die Baumstämme sechs bis zehn Meter auf, bevor sie die ersten Zweige bildeten – da überraschte es nicht, dass die Sägemühle vor allem Masten und Spiere für die Königliche Marine produzierte.
Jocastas Worten zufolge handelte River Run anscheinend oft und viel mit der Marine: Masten, Spiere, Latten, Balken, Pech, Terpentin und Teer. Jamie ritt dicht neben ihr und hörte gebannt zu, während sie ihm alles im Detail erklärte, und Ian und ich ritten hinter ihnen. Sie hatte beim Aufbau von River Run offenbar eng mit ihrem Mann zusammengearbeitet. Ich fragte mich, wie sie jetzt, wo er tot war, mit der Führung der Plantage zurechtkam.
»Da!«, sagte Ian und hob den Finger. »Was ist das?«
Ich holte auf und lenkte mein Pferd neben dem seinen zu dem Baum, auf den er gezeigt hatte. Jemand hatte ein großes Stück Rinde entfernt und auf einer Seite das Holz etwa einen Meter hoch freigelegt. Innerhalb dieser Fläche war das weißgelbe Holz kreuzweise in einer Art Fischgrätmuster schraffiert, als hätte es jemand kreuz und quer mit einem Messer eingeritzt.
»Wir sind fast da«, sagte Jocasta. Jamie hatte uns anhalten sehen, und sie waren zu uns zurückgeritten. »Was ihr da seht, ist ein Terpentinbaum, ich kann es riechen.«
Wir konnten es alle riechen – der Duft nach frischem Holz und würzigem Harz war so stark, dass sogar
Jocasta trieb Corinna näher an den angeritzten Baum, wo eine flache Kuhle in das Holz gemeißelt worden war. »Das nennen wir Schachtel, Harz und Rohterpentin laufen hier herein und sammeln sich. Diese hier ist fast voll. Bald kommt ein Sklave und leert sie.«
Sie hatte den Satz kaum beendet, als ein Mann zwischen den Bäumen erschien, ein Sklave, der nur einen Lendenschurz trug. Er führte ein großes, weißes Maultier, das einen breiten Gurt um den Rücken geschnallt hatte, von dem auf beiden Seiten jeweils ein Fass herunterhing. Das Maultier hielt abrupt an, als es uns sah, warf den Kopf zurück und brüllte hysterisch.
»Und das dürfte Clarence sein«, sagte Jocasta so laut, dass man sie auch bei dem Lärm noch hören konnte. »Er freut sich, wenn er Menschen sieht. Und wer ist bei ihm? Bist du das, Pompey?«
»Ja’m. Ch’bins.« Der Sklave packte das Maultier bei der Oberlippe und drehte sie kräftig um. »Halsmaul, Miskel!« Gerade übersetzte ich das im Geiste mit »Halt’s Maul, du Mistkerl!«, da drehte der Mann sich zu uns um, und ich sah, dass sein Genuschel daher rührte, dass ihm sein linker Unterkiefer fehlte; unter dem Wangenknochen wich sein Gesicht einfach in eine tiefe Höhlung zurück, die mit Narbengewebe ausgefüllt war.
Jocasta musste gehört haben, wie ich erschrocken nach Luft schnappte – oder auch einfach mit einer solchen Reaktion gerechnet haben –, denn sie wandte mir ihre Augenbinde zu.
»Es war eine Explosion beim Teerschwelen – glücklicherweise ist er nicht dabei umgekommen. Kommt, wir sind fast bei der Terpentinanlage.« Ohne auf ihren Stallknecht zu warten, drehte sie zielsicher ihr Pferd um und machte sich zwischen den Bäumen hindurch in die Richtung auf, aus der der Brandgeruch kam.
Der Kontrast der Terpentinanlage zur Stille des Waldes war erstaunlich; eine große Lichtung voller Menschen, die vor Geschäftigkeit summte. Die meisten waren Sklaven, die nur mit dem Nötigsten bekleidet waren, die Gliedmaßen und Körper mit Asche bedeckt.
»Ist jemand bei den Hütten?« Jocasta wandte mir den Kopf zu.
Ich stellte mich in den Steigbügeln auf, um nachzusehen. Am anderen Ende der Lichtung erblickte ich bei einer Reihe baufälliger Hütten einen Farbtupfer: drei Männer in der Uniform der britischen Marine und ein weiterer in einem flaschengrünen Rock.
»Das dürfte mein bester Freund sein«, sagte Jocasta und lächelte zufrieden bei meiner Beschreibung. »Mr. Farquard Campbell. Komm, Neffe, ich möchte, dass du ihn kennenlernst.«